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Das Geheimnis der Herzen

Das Geheimnis der Herzen

Titel: Das Geheimnis der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Holden Rothman
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nur die Theorie mit der Seeluft nicht stimmte, sondern dass der Architekt kein angemessenes Abwassersystem und zudem keine richtige Belüftung geplant hatte. Trotzdem galten das Krankenhaus und die medizinische Fakultät als die besten in ganz Nordamerika.
    Die Straßenbahn keuchte bergauf. Sie war elektrifiziert. Nur ein dünnes Kabel sorgte dafür, dass wir nicht rückwärts hinab in die Chesapeake Bay rutschten. Meine beiden Mitreisenden schien das nicht zu beunruhigen. Es handelte sich erstens um ein junges Mädchen, das seine Nase in ein Lehrbuch steckte. Ich saß nahe genug bei ihr, um in einem Meer aus gedrucktem Text die rosaroten Abbildungen der Organe zu erkennen.
    Der zweite Mitreisende war ein Mann, der eher in meinem Alter war, mit sehr kurzen Haaren und einer militärischen Haltung. Er hatte keine Bücher bei sich und beachtete weder mich noch das Mädchen, sondern starrte die ganze Zeit aus dem Fenster. Seine Gesichtsfarbe war zu kräftig für einen Patienten, aber er konnte auch kein Medizinstudent sein, denn die wohnten oben auf dem Hügel. Warum saß er dann morgens um halb neun in dieser Bahn? »Residenzpflicht« gehörte zu den Erfordernissen, wenn man sich an der Johns Hopkins immatrikulierte. Man musste alleinstehend sein und bereit, im Krankenhaus zu schlafen. Diese Regeln hatte Dr. Howlett aufgestellt, der davon überzeugt war, dass bei der Ausbildung von zukünftigen Medizinern eine Art praktische Lehrzeit wesentlich sinnvoller war als das Lesen von Büchern. Die wenigen Frauen, die zu dem Programm gehörten, waren allerdings von dieser Vorschrift ausgenommen; sie hatten Zimmer in der Stadt oder wohnten in den Schwesternhäusern, die sich ebenfalls oben auf dem Hügel befanden.
    Als die Straßenbahn ihr Ziel erreichte, war es kurz vor neun Uhr. Der Mann stieg als Erster aus. Er machte keinerlei Anstalten, mir vielleicht mit meiner klobigen Tasche behilflich zu sein, sondern eilte sofort in Richtung Krankenhaus. Das Mädchen lief hinter ihm her, schwer beladen mit ihren Büchern, und warf nur einen kurzen Blick auf ihre Uhr.
    Ich kletterte ebenfalls rasch aus dem Wagen. Als Reaktion auf meinen Brief an William Howletts Büro, in dem ich um ein Treffen gebeten hatte, war von der Sekretärin die Ermahnung gekommen, ich solle auf keinen Fall zu spät erscheinen. »Dr. Howlett ist immer sehr pünktlich«, hatte sie geschrieben. »Das Gleiche erwartet er auch von Ihnen.«
    Gern hätte ich gewusst, was er von meiner Bitte um einen Termin bei ihm hielt. Und wie würde er mich begrüßen? Neun Jahre waren seit unserem unglücklichen Zusammentreffen in Montreal vergangen. Bei dem Gedanken an die Feindseligkeit des Komitees biss ich die Zähne zusammen. Die ganze Angelegenheit war dermaßen demütigend gewesen! Miss Skerry sagte immer, die schlimmsten Situationen seien auch die fruchtbarsten, weil man aus ihnen sehr viel lerne. Aber die Erfahrung damals hatte mich nicht viel gelehrt. Das Ganze war nur ein unauslöschliches Fiasko gewesen.
    Dr. Howlett hatte in den Monaten nach unserer Begegnung nicht mit mir Kontakt aufgenommen. Vielleicht war er verärgert gewesen. Oder die Erwähnung meines Vaters hatte ihn erschüttert. Aber warum auch immer – innerhalb eines Jahres hatte er Montreal verlassen und war in die USA gegangen, um dort zu arbeiten, zuerst nach Philadelphia und ein paar Jahre später nach Baltimore. Und jetzt würden wir uns wiedersehen. Ich umklammerte den Griff meiner schweren Tasche noch fester. Ohne die Ermutigung von Dr. Clarke hätte ich mich nicht an ihn gewandt, aber vermutlich war er wirklich der einzige Mensch auf der Welt, der das Rätsel meines Herzens lösen konnte.
    Majestätisch erhob sich das Krankenhaus vor mir. Die meisten Gebäude waren aus Backstein. Ein Turm besaß eine Kuppel, wodurch der ganze Komplex eher an ein Märchenschloss erinnerte. Drinnen, in der Nähe des Eingangs, standen ein paar Patienten mit ihren Angehörigen – so vermutete ich jedenfalls – und unterhielten sich. Ein Aufpasser saß an einem Schreibtisch und schnitzte etwas mit einem Taschenmesser. Noch bevor ich den Mund öffnen konnte, erklärte er mir mit ein paar knappen, gut einstudierten Handbewegungen den Weg.
    Als ich am Treppenabsatz im ersten Stock die Tür zum Flur öffnete, sah ich eine riesige Menschenansammlung vor mir. Ich schwitzte, weil es so anstrengend gewesen war, mit der schweren Tasche die Stufen hinaufzusteigen, und ich blieb stehen. Wer waren diese Leute? Was spielte sich

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