Das Geheimnis der Highlands
darüber nachzudenken, was sie sonst noch glaubte gesehen zu haben.
Bestimmt trug er noch irgend etwas unter diesem Kilt. Bestimmt war es nur ihre übersteigerte Phantasie, die absurderweise die offensichtliche Maskulinität des Hengstes auf Hawks Körper übertrug.
Genau. Das war es, zweifellos. Sie hatte am Rande ihres Blickfelds die auffällig zur Schau gestellten Attribute des Hengstes bemerkt, während sie auf Hawks Beine sah, und hatte irgendwie beides zusammengebracht. Sie hatte mit Sicherheit nicht gesehen, daß der Hawk selbst ausgestattet war wie ein Zuchthengst.
Bei diesem Gedanken errötete sie. Sie machte auf dem Absatz kehrt, um sich abzulenken, und begab sich zum nächsten unbesichtigten Raum. Sie hatte beschlossen, an diesem Morgen das Schloß zu erkunden, um ihre Gedanken von diesem verfluchten Mann abzulenken. Es hatte sich halt einfach so ergeben, daß er gerade unter dem Fenster vorbeigehen mußte, durch das sie eben hinaussah. Und seinen Rock hob, um Öl auf das sprichwörtliche Feuer zu gießen.
Sie zwang ihren Verstand, sich wieder auf die gelungene Architektur von Dalkeith zu konzentrieren. Sie befand sich im ersten Stock des Schlosses und war bereits durch Dutzende von Gästezimmern geschlendert, einschließlich der Kammer, in der sie ihre erste Nacht verbracht hatte. Dalkeith war riesig. Es mußte mindestens hundert Zimmer haben, von denen viele den Anschein erweckten, als würden sie seit Jahrzehnten nicht benutzt. Der Flügel, den sie gerade erkundete, war kürzlich renoviert worden und wurde viel genutzt. Die Wände waren mit hellen Hölzern verkleidet, die seidig glänzend poliert waren, und nicht ein Hauch von Staub war zu sehen. Dicke, gewebte Matten bedeckten den Boden. Hier gab es keine Binsen oder nackte, kalte Steine. Büschel aus duftenden Kräutern und getrockneten Blumen hingen kopfunter von fast jedem Fenstersims und aromatisierten die Korridore.
Ein Sonnenstrahl lenkte Adriennes Aufmerksamkeit auf eine geschlossene Tür in der Mitte des Korridors. Eingelassen in das helle Holz, bäumte sich unglaublich detailgetreu ein Pferd elegant auf den Hinterbeinen auf, die Mähneflatternd im Wind. Ein einzelnes Horn drehte sich spiralförmig auf seiner Stirn. Ein Einhorn? Mit der Hand am Türgriff hielt sie inne, denn plötzlich überkam sie die seltsame Vorahnung, daß sie diesen Raum vielleicht lieber übergehen sollte. Neugier kann tödlich sein …
Als die Tür geräuschlos nach innen schwang, erstarrte sie und hielt sich mit zitternder Hand am Türrahmen fest.
Unglaublich. Einfach nicht vorstellbar. Ihr staunender Blick überflog den Raum vom Boden bis zur Decke, von einem Ende zum anderen und wieder zurück.
Wer hatte das geschaffen?
Dieser Raum appellierte an jede Faser ihrer Weiblichkeit. Finde dich damit ab , sagte sie knirschend zu sich selbst, dieses ganze Schloß appelliert an jede Faser deiner Weiblichkeit. Ganz zu schweigen von dem erotischen, maskulinen Herrn der Festung.
Dieser Raum war für Kinder gemacht. Gearbeitet mit solch liebevollen Händen, daß es sie fast überwältigte. Ein Mißklang von gegensätzlichen Gefühlen überflutete sie, bevor sie sie wegwischte.
Es gab Wiegen aus Honigeiche, weich abgerundet und so fein geschliffen, daß kein Splitter hervortreten und babyweiche Haut verletzen konnte. An der Ostseite befanden sich hohe Fenster, zu hoch für ein Kleinkind, um sich irgendwie in Gefahr begeben zu können, doch offen für den goldenen Glanz der Morgensonne. Die Holzdielen waren mit dicken Matten belegt, um Kinderfüße warm zu halten.
Leuchtend bemalte Holzsoldaten bevölkerten die Regale, und liebevoll geschnitzte Puppen ruhten auf winzigen Bettchen. Ein Miniaturschloß mit vielen Türmchen, Burggraben und Zugbrücke war gefüllt mit winzigen, geschnitzten Menschen; ein wirkliches und wahrhaftiges, mittelalterliches Puppenhaus!Flauschige Laken bedeckten Wiegen und Bettchen. Ein riesiger Raum, diese Kinderstube. Ein Raum, worin ein Kind (oder ein Dutzend) vom Kleinkind bis zum Jugendlichen heranwachsen konnte, bevor es sich nach einem Erwachsenen Zimmer umsehen würde. Es war ein Raum, der die Welt eines Kindes ununterbrochen mit Liebe, Sicherheit und Vergnügen füllen würde.
Als ob jemand diesen Raum erschaffen hätte, indem er so dachte wie das Kind, das er oder sie einmal gewesen war, und all die Schätze beigefügt hätte, die ihm oder ihr als kleinem Jungen oder Mädchen so viel Vergnügen bereitet hatten.
Doch was sie an diesem
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