Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
groß.«
»Das lässt sich alles ändern. Die richtige Kleidung, eine erfundene vornehme Familie. Eine gute Ausbildung - all das wird Wunder wirken. Vater, sie ist ein so intelligentes Mädchen
und schön dazu. Es gibt Möglichkeiten, sie annehmbar zu machen.«
»Es wird nicht gehen, weil ich es nicht zulasse«, erwiderte der Ältere scharf. »Wir brauchen mehr als eine schöne Larve. Ich will auch mein Vermögen mehren. Du tust es ja nicht. Solltest du an dieser Verrücktheit mit der Dorfschönheit festhalten, dann wirst du dein Erbe verlieren. Das ist mein letztes Wort.«
»Das ist nicht recht!«, begehrte Michael auf.
»Es bleibt an mir, dies zu entscheiden.« Die Worte klangen so kalt, dass Reemke zu zittern begann. »Also, bist du bereit, mit diesem Mädchen in Armut zu leben? Von deiner eigenen Hände Arbeit? Überlege es dir gut. Du hast noch niemals einen Finger krumm gemacht und dein Leben lang von meinem Geld gelebt. Ich habe dir bislang alle Unannehmlichkeiten erspart. Michael, du bist und bleibst ein Träumer. Von der Kleckserei lässt sich ja wohl keine Familie ernähren.«
Reemke krallte ihre Finger in den Boden. Sie spürte weder die Dornen der Wildrosen an ihren Wangen noch die Ranken, die sich in ihrem Kleid verfangen hatten. Jetzt! Jetzt würde Michael seinem Vater sagen, dass er nur zu gerne bereit wäre, für sie allem Reichtum zu entsagen. Dass er so nicht mit sich reden ließe und sofort gehen würde - zu ihr! Reemkes Herz schlug schneller. Sie lauschte angestrengt, doch es dauerte lange, bis Michael sprach.
Ganz leise kamen seine Worte. »Ich habe ihr geschworen, sie niemals zu verlassen.«
»Das kann ich mir denken«, sagte der Vater herablassend. Er sprach zu dem Sohn wie zu einem uneinsichtigen Kind. »Und ich finde es schändlich von dir. Denn wenn du ganz ehrlich bist, dann war dir von vornherein klar, dass diese Liebe keine Zukunft haben kann. Warst du jemals entschlossen, alles, wirklich alles, für diese Frau aufzugeben?«
Reemke spürte, wie ihr schwindelig wurde. Übelkeit überkam sie. Nicht jetzt! Furcht kroch in ihr Herz und sie war nur zu einem einzigen Gedanken fähig: Sag ja! Du bist entschlossen, alles für mich aufzugeben. Schrei es diesem widerwärtigen Kerl ins Gesicht!
»Also, wirst du auf dein Erbe verzichten und hier in einer Kate hausen?«, fragte der Vater noch einmal.
»Ich …« Michaels Stimme brach, und Reemke hörte die Pein darin. »Vater, bitte stelle mich nicht vor diese Entscheidung. Wovon sollten wir hier auf dieser Insel denn leben? Du weißt genau, dass ich auf deine Unterstützung angewiesen bin. Bitte! Du kannst mich glücklich machen. An der Seite dieser kalten Klara, die du mir ausgesucht hast, werde ich erfrieren. Ich habe so sehr gehofft, du würdest mich verstehen und mir erlauben …«
»Du hast gehofft. Das tust du immer. Vor wie vielen falschen Hoffnungen habe ich dich schon bewahrt? Mensch, Junge, werde endlich erwachsen! Du hast dieses Kind verführt, ohne nachzudenken.«
»Bitte lass doch mit dir reden, Vater«, flehte Michael. »Wenn du mir nur erlauben würdest …«
»Das kann und werde ich nicht tun! Du musst ihr sagen, dass aus eurem gemeinsamen Leben nichts wird. Klara hast du dein Wort gegeben. Sie wartet auf dich. Das Kind ist zwar keine Schönheit, aber sie steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Sie wird dir die Träumereien austreiben. Ihr Erbteil ist beachtlich, und da verlieren Äußerlichkeiten an Bedeutung, das musst du einfach einsehen. Ich habe dir Zeit deines Lebens alles durchgehen lassen. Und du hast bislang nichts, aber auch gar nichts dazu beigetragen, unser Vermögen zu mehren. Im Gegenteil. Du bist mir diese Heirat schuldig.«
Ein erstickter Laut kam aus Michaels Mund. »Gott im Himmel, wie soll ich es ihr nur sagen? Ich kann es nicht.«
»Du kannst und du wirst. Und jetzt gehe ich zurück in die Zivilisation. Hier ist ja nichts außer Sand, Gestrüpp und Getier. Dazu das ewige Schreien der Möwen. Ich bin froh, dass wir diese öde Insel morgen wieder verlassen.«
Die letzten Worte des Vaters erreichten Reemke nicht mehr. Um sie herum schwankte die Welt. Michael hatte sie verraten. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht zu schreien. Ihr Verstand weigerte sich zu glauben, was gerade geschehen war. Hatte Michael sie überhaupt geliebt? Sie spürte wieder die Übelkeit in sich aufsteigen. Ihr Kind, das arme Wesen. Solch ein Feigling von Vater. Was hatte er ihr alles versprochen! Wie sanft seine Stimme
Weitere Kostenlose Bücher