Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
trübte. Lachend schlenderten sie durch Täler von weiß blühenden Wildrosenbüschen und amethystblauen Stranddisteln. In den Dünen war es warm. Manchmal zog Michael Reemke in eines der Sandtäler. Versteckt hinter Kriechweide und Sanddornbüschen beobachteten sie Brandenten, deren schwarz-weißes Gefieder in der Sonne glänzte. Manchmal scheuchten sie die Möwen auf, die sie dann mit Alarmrufen umflatterten und von ihren Nistplätzen zu vertreiben suchten.
Als sie erschöpft waren, ließ sich Reemke lachend in eine der Mulden fallen und aalte sich in der Sonne. Michael klemmte sich einen breiten Halm zwischen Daumen und Zeigefinger und blies darauf. Es gab einen schnarrenden Laut, wie der Lockruf des Fasans.
»Gleich kommt eine Fasanenhenne«, neckte sie ihn und er zog sie an sich. Sie pustete ihm Halme und Sand vom Gesicht. Michael kitzelte sie, bis Reemke um Gnade flehte.
Keuchend und lachend fiel sie ins Dünengras zurück, und er streckte sich neben ihr aus. »Sieh nur, die Wolken. Sie fliegen wie riesige Schiffe über uns hinweg. Ach Reemke, könnten wir nur mit ihnen reisen.«
Michael drehte sich auf die Seite und griff nach ihrer Schulter. Er konnte der Versuchung, sie zu berühren, einfach nicht widerstehen. Schon während des Malens hatte er sich vorgestellt, wie es wäre, sie zu streicheln. Er war betört von dieser rothaarigen Inselschönheit. Sie glich in nichts dem spröden Wesen, das auf dem Festland auf ihn wartete. Er spürte, dass eine große Leidenschaft in ihr schlummerte.
Als die Sonne verschwand, zitterte Reemke in der Abendluft. Es war Zeit zu gehen, doch sie konnte sich nicht entschließen. Ein Tag an der Seite dieses Mannes war schöner als der andere. Er liebte sie. Es musste einfach so sein. Warum nur sagte er es nicht? Brauchte er ein Zeichen von ihr? Wie dumm sie war in solchen Dingen!
Michael begann wieder ihren Arm und ihre Schulter zu streicheln. Seine Hände brachten die Wärme der Sonne zurück. Die Gänsehaut verschwand. Als er sie ansah, lag große Zärtlichkeit in seinem Blick. Er hob die Hand und strich ihr das lockige Haar aus der Stirn. Dann streichelten seine Finger ihre Wangen.
»Du bist so wunderschön«, sagte er mit heiserer Stimme. »Hat dich schon einmal ein Mann geküsst?«
Reemke schüttelte verschämt den Kopf, worauf er sie näher zu sich heranzog. »Ich würde dich gerne einmal küssen.«
Sie antwortete nicht, schaute ihn aber unverwandt an. Er beugte sich über sie und seine Lippen berührten sanft ihren Mund. Der erste Kuss war süß und zart. Dann wurden Michaels Berührungen drängender. Wieder und immer wieder küsste er sie. Reemke spürte jeglichen Widerstand erlahmen. Sie, die so wenig menschliche Nähe erfahren hatte, konnte seiner Zärtlichkeit nicht widerstehen.
Als Michael schließlich den Kopf hob, sah er, dass Reemke die Augen geschlossen hatte. Es lag so viel Unschuld und Liebe auf ihrem Gesicht, dass er tief gerührt war. Zärtlich streichelte er über ihre Wangen, ihren Hals, ihre Schultern. Dann glitt seine Hand sehnsüchtig weiter. Jetzt öffnete sie die Augen, und er sah das Zögern in ihnen. Michael hielt den Atem an und betrachtete sie gespannt. Er sehnte sich danach, sie zu lieben.
»Ich liebe dich.« Kaum hörbar kamen die Worte über ihre Lippen.
Er nahm sie in den Arm und küsste ihre Stirn. Sein Herz klopfte wie wild. »Ich will dir ganz nahe sein. Es ist nichts Unrechtes dabei. Ich würde dir nie etwas Böses antun. Und gehören wir nicht ohnehin zusammen?«
Die Liebe in Michaels Augen überwältigte Reemke. Wie konnte dieser Mann ihr nur so viel bedeuten? Sie seufzte leise und sehnsüchtig, als sie seine Hände auf ihrem Körper spürte.
Es war so schön, sich dieser unendlich sanften Berührung hinzugeben. Sie konnte und wollte sich nicht länger gegen ihre Gefühle wehren. Michael küsste Reemke erneut. Ihr Herz schlug schneller. Sie spürte, wie sein Mund, seine Hände, sein ganzer Körper sie umfing, bis ein wilder Strudel aus Gefühlen beide mit sich fortriss. Reemke fühlte sich emporgehoben in den Himmel, schwerelos und wie in einem Traum. Sie klammerte sich an Michael. Ihre Bewegungen waren voller Harmonie. Ein grenzenloses Gefühl der Wärme überkam sie, umhüllte sie ganz, und Reemke glaubte vor Glück und Wonne zerspringen zu müssen.
Getragen von einer süßen Mattigkeit hielt das unwirkliche Gefühl noch lange danach an. Reemke schmiegte sich an den Geliebten. Endlich war da jemand, der sie liebte, dem sie
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