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Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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einzigen Sohn für eine Weile aus den Augen zu schaffen. Er hat Besonderes mit mir vor, welches noch einiger Vorbereitung bedarf. Und so suche ich nun hier auf diesem Eiland Zerstreuung.«
    Reemke wusste nicht, was sie von dieser Auskunft halten sollte. Es hatte so viel Bitterkeit in der Stimme des Mannes gelegen.
    »Und Sie sind die junge Dame, die in der Van-Voss-Kate wohnt, nicht wahr? Ich habe Sie schon oft von weitem beobachtet. So wie zum Glück auch heute Abend.«
    Reemke lief ein Schauer über den Rücken. Der Fremde hatte sie beobachtet? Das wollte ihr nicht gefallen. Doch dann dachte sie wieder an die Rettung aus dem Meer.
    »Ich bin Reemke van Voss«, sagte sie und streckte ihm eine Hand entgegen, die er ergriff und festhielt.
    »Sie sind mir etwas schuldig, oder?« Seine Augen funkelten.
    Reemke nickte zögernd. »Das könnte man so sagen.«

    »Ich würde Sie gerne malen.«
    »Mich?« Ihre Verwirrung hätte nicht größer sein können.
    »Sie sind wunderschön. Eine Verkörperung der Ursprünglichkeit dieser Insel und der Rastlosigkeit des Meeres. Dazu dieses Geheimnisvolle, das Sie umgibt, und natürlich dieses besondere Haar.« Er griff wieder nach ihren nassen Locken. Dann glitten seine Finger zu ihrem Hals, und er strich mit dem Daumen über ihre Haut. »Ja, ich würde Sie gerne malen«, wiederholte er mit belegter Stimme.
    Reemke zitterte, obwohl seine Berührung ihren Körper mit Wärme durchflutet hatte. Dieser Mann brachte sie aus dem Gleichgewicht. Sie brachte nicht den Mut auf, seine Hand fortzuschieben. Und wollte sie das überhaupt?
    Michael nahm ihr Gesicht in beide Hände und betrachtete es. »Es wird mir eine Freude sein, diese Lieblichkeit festzuhalten. Morgen werden wir anfangen. Ich hole Sie am Nachmittag ab.«
    Und dann küsste er sie ganz sanft auf die Stirn, griff nach seinem Hemd, das im Sand lag und ging mit langen Schritten davon. Reemke sah ihm mit klopfendem Herzen hinterher. Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte ihr jemand gesagt, dass sie schön sei.
     
    Als Michael sie das erste Mal abgeholt hatte, war Reemke erstaunt gewesen über sein Gepäck: einen flachen Kasten, eine Leinwand und ein zusammengeklapptes Holzgestell. Er hatte ein viel zu großes Hemd getragen, das im Wind flatterte, während sie einen geeigneten Standort suchten. Das Hemd war mit lustigen bunten Tupfern übersät gewesen.
    Mittlerweile kannte Reemke seine Arbeitskleidung und wusste längst, was die einzelnen Utensilien zu bedeuten hatten. Das erste Bild hatte Michael ihr geschenkt. Sie erkannte sich darauf kaum wieder, doch er behauptete steif und fest, sie sei in
Wahrheit noch tausendmal schöner. Michael hatte das Gemälde ›Die Inselrose‹ genannt. Inmitten der Dünen, umrahmt von wilden Rosen, hatte er Reemke mit unzähligen Pinselstrichen zum Leben erweckt. Um sie herum das Grün der Insel und in weiter Ferne das blaue Meer.
    Wenn Michael malte, dann vergaß er alles um sich herum. Das Zeremoniell begann mit dem Aufbauen des Gestells. Danach klappte er seinen Holzkasten auseinander, steckte sich ein dünnes Holzbrett auf den Daumen und verteilte Farben darauf. Mit dem Pinsel breitete er die Farben auf dem weißen Leinen aus. Während alledem sprach er kein Wort, sondern tänzelte vor und zurück und spielte mit den Varianten des Lichts.
    Es gab mittlerweile etliche Bilder von Reemke, und eines hatten alle gemeinsam: aus Reemkes Augen strahlte das Glück. Die Bilder verrieten dem Betrachter, dass sie verliebt war.
    Michael wusste darum und hatte seine Freude daran. Reemke hatte ihm in langen Stunden von ihrer Einsamkeit erzählt. Ihm war es in Wahrheit nicht besser ergangen. Doch jetzt würde alles anders werden. Michael wusste ganz genau, wie seine Zukunft aussehen sollte. Gemeinsam mit Reemke wollte er durch das Leben gehen, und sie würden glücklich sein. So wie hier auf der Insel, jeden Tag, jede Stunde. Vater musste das einfach einsehen. Wünschte nicht jeder Vater für seinen Sohn nur das Beste? Und Reemke war das Beste für ihn! Noch wusste sie nichts von den Plänen, die sein Vater eigentlich mit ihm hatte. Die Tage waren zu kostbar, um sie mit Grübeln und düsteren Gedanken zu verbringen. Doch er musste ihr davon erzählen, und das bald. Eine Woche blieb ihnen noch, bis Vater aus Hamburg kommen würde, um ihn abzuholen. Reemke würde auch ihn verzaubern und im Handumdrehen für sich gewinnen, daran glaubte Michael ganz fest.
    Aber heute wollte er nicht zulassen, dass irgendetwas ihr
Glück

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