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Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christel Mouchard
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Alleinseins.
    So zärtlich er konnte, lächelte Wenji ihr zu und bot ihr seinen Arm an, als würde er sie in einen Ballsaal führen.
    »Gehen wir zum Abendessen?«
    Nina errötete vor Rührung. Niemals war sie so behandelt worden, mit so viel Respekt und Verständnis. Strahlend hängte sie sich an den Arm des jungen Mannes und folgte ihm ins Esszimmer.
    ›Diese Szene ist seltsam, fast unwirklich‹, dachte Nina. ›Erfüllt von unbändigem Kinderlachen – und doch so feierlich.‹
    Sie ließ ihren Blick zu Wenji schweifen. Er sah aus, als amüsierte er sich, ein bisschen sogar, als würde er sich verstellen. Im Grunde genommen war Nina nicht die Einzige, die so tat, als wäre sie erwachsen. Die Kinder schienen einverstanden, sich auf das Spiel einzulassen. Alle hatten sich um einen langen Tisch herum gesetzt, Nina und Wenji saßen nebeneinander und überragten die kleinen Schar. Bedienstete in chinesischen Tuniken und mit langen Zöpfen kamen, um mit Speisen gefüllte Schüsseln auf den Tisch zu stellen. Alle hatten Stäbchen in den Händen und streckten sich zu den Porzellanschalen mit Nudeln, Reis, Fleischbällchen und Fettgebäck aller Art hin. Nur Mei hatte sich nicht zu den Tischgästen gesellt.
    »Sie hat Angst, zu dick zu werden«, erklärte Wenji.
    Er hatte Lu auf seinem Schoß behalten. Das kleine Mädchen blieb an ihn gekuschelt sitzen und wandte den Blick nicht von Nina. Nach einer Weile richtete sie sich auf und fragte Wenji etwas in ihrer Sprache. Dann hob sie einen winzig kleinen Finger, zeigte auf Ninas Gesicht, und es sah aus, als wollte sie es berühren.
    »Was hat sie?«, beunruhigte sich Nina, die instinktiv zurückwich.
    »Sie fragt mich, warum Sie so merkwürdige Augen haben.«
    »Meine Augen? Sind sie merkwürdig?«
    »Sie hat noch nie blaue Augen gesehen. Für mich sind sie nichts Ungewöhnliches mehr, ich finde sie nicht merkwürdig. Im Gegenteil. Sie sind wunderschön.«
    Nina wand sich verlegen auf ihrem Stuhl. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Das war jenseits von allem, was man in der Schule lernte: Wie antwortete man auf die Komplimente der Jungen? Um nicht allzu überfordert zu wirken, sah sie die kleine Lu an und begann zu schielen, was bei dem Mädchen großes Erstaunen auslöste.
    Wenji stützte einen Ellenbogen auf den Tisch und beugte sich vor, als wollte er das Schauspiel entspannt bewundern.
    »Verblüffend! Die jungen französischen Damen können einfach alles! Ich bin sehr beeindruckt.«
    Die kleine Lu hatte sich von der Überraschung erholt und brach in lautes Gelächter aus, das sogleich von ihren Geschwistern nachgeahmt wurde. Wenn Nina schon nicht wusste, wie sie auf die Komplimente reagieren sollte, konnte sie doch wenigstens die Kinder zum Lachen bringen. Und damit hatte sie einen solchen Erfolg, dass sie einen Großteil des Abends damit ausfüllen musste, zu schielen und Grimassen zu schneiden, um ihr junges Publikum zufriedenzustellen.
    Erst als der Nachtisch serviert wurde, kehrte wieder Ruhe ein. Während sich die Nasen über den Kokosnusspudding und den Hefezopf mit Lotuskernen senkten, führte Nina ihre Hand an die Stirn.
    Merkwürdige Augen
.
    Es stimmte. Sie hatte das Gefühl, merkwürdige Augen zu haben, und sie wurden sogar immer merkwürdiger. Als sie die von Mei gemalten Orchideen angeschaut hatte, war sie geblendet worden, und daran hatte sich bis jetzt nichts geändert. Inzwischen drückte es auf ihre Schläfen und brannte ihr in den Pupillen. Nina hatte den Eindruck, alles verschwommen zu sehen. Es war nicht Pudding noch Hefegebäck, was sie vor sich sah, sondern weiche Haufen ohne Konturen, die unkontrollierbar zitterten und flimmerten. Plötzlich nahm Wenji ihre Hand.
    »Was haben Sie, Nina? Fühlen Sie sich nicht wohl?«
    »Ich … ich weiß nicht, ich fühle mich sehr müde. All diese neuen Eindrücke …«
    »Sie sind ganz heiß.«
    »Und ich sehe Sie doppelt. Ob das vom Schielen kommt?«
    »Ich werde Sie nach Hause begleiten.«
    »Aber ich bitte Sie, es ist doch so nah.«
    »Nein. Sie können nicht allein nach Hause gehen.«
    Sein Ton duldete keinen Widerspruch. Wenji hatte gesprochen, als wäre sie ein kleines Mädchen, und wiederum fürchtete Nina, dass er sie durchschaut hätte. Doch seine Stimme war voller Respekt.
    »Zu dieser Zeit gibt es Insekten und Schlangen. Im Dunkeln werden Sie sie nicht sehen. Kommen Sie, lassen Sie uns gehen.«
    Er wandte sich an die Tischgesellschaft.
    »So, Kinder. Wenn ihr wollt, dass der Clown noch einmal

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