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Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christel Mouchard
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zu Besuch kommt, sagt Ihr jetzt nett Auf Wiedersehen.«

Der Affe und der Tausendfüßler
    Nina war Wenji dankbar, dass er darauf bestanden hatte, sie zu begleiten. Sie brauchten zwar nur fünf Minuten, um zur Villa Henriette zu kommen, doch es kam ihr vor, als wäre sie eine Stunde lang unterwegs. Die Nacht war tiefschwarz, undurchdringlich und stickig. Sie sah gerade einmal, wohin sie trat, und ihre Beine fühlten sich so weich an wie der Kokosnusspudding zum Nachtisch. Plötzlich nahm sie links von sich eine Bewegung im Baum wahr. Etwas sprang von Ast zu Ast, ein Tier.
    Sie schrie, und ohne nachzudenken griff sie nach Wenjis Arm, der seine Hand auf ihre legte.
    »Keine Angst, das ist nur ein kleiner Affe. Harmlos.«
    »Gibt es hier Affen?«
    »Vor allem in den Bergen, aber dieser hier hat sich seit zwei oder drei Wochen unseren Park als Wohnsitz gewählt.«
    In Ninas benebeltem Kopf tauchte ein Bild auf. Sie sah wieder die Jadefigur vor sich, den Baum und den Affen, der am Ende eines goldenen Fadens schaukelte. Es schien, als wären Wenjis Gedanken demselben Weg gefolgt. Als er weitersprach, war da wieder dieses Drängende in seiner Stimme.
    »Jade ist ein Stein, der inneren Frieden und Harmonie bringt. Man sagt, er habe Heilkräfte. Wenn Sie einen Gegenstand aus Jade in Ihrem Haus haben, stellen Sie ihn neben Ihr Bett.«
    Nina antwortete nicht, doch Sorge machte sich in ihr breit: Warum hörte Wenji nicht auf, immer wieder von Jade zu sprechen?
    Zum Glück waren sie auf der Türschwelle der Villa Henriette angekommen, sodass Nina nicht weiter gegen die in ihr aufkommende Angst anzukämpfen brauchte. Wenji blieb stehen und ließ Nina die Tür ihres Hauses öffnen.
    »Gute Nacht, Antoinette. Legen Sie sich kühle Kompressen als Linderung auf die Schläfen und trinken Sie viel. Ich werde morgen vorbeikommen und schauen, ob es Ihnen besser geht.«
    Nina hatte nicht die Kraft, etwas anderes als ein kaum freundliches Guten Abend zu murmeln, und verschwand mit zitternden Händen im Haus.
    In einem Punkt hatte Wenji recht: Sie hatte sich etwas eingefangen. Auch als sie die Nadeln aus ihren Haaren entfernt hatte, drückte die Migräne weiter auf ihren Kopf. Sie tastete sich zu ihrem Zimmer vor, wo Chinh eine Petroleumlampe angezündet hatte.
    Noch ehe sie zwei Meter zurückgelegt hatte, stieß sie gegen einen riesigen Gegenstand, der mitten im Flur stand. Das Halbdunkel hinderte sie daran, wirklich zu erkennen, was es war, doch als sie die Beschläge der beiden Schlösser sah, glaubte sie es zu erraten. Sie hob den Deckel an: Da lagen abgenutzte Hemden, ein Kleid mit Matrosenkragen, gestopfte Strümpfe …
    »Mein Koffer!«
    Die Angst verwandelte sich in Panik: Wurde sie jetzt verrückt? Wie war ihr Reisekoffer hierhergelangt? Sie wich zurück. Das musste ein Traum sein. Der Koffer erschien ihr riesengroß. Auf dem Deckel befand sich ein gefaltetes Blatt Papier, sie war sich sicher, dass es ein Brief von Miss Melly war.
Diebin!
, hatte sie in roten Buchstaben geschrieben.
Du hast mir meine schönen Kleider gestohlen!
Kopflos stürzte sie in ihr Zimmer und zu ihrem Bett. Doch in dem Augenblick, als sie sich auf das von Chinh frisch vorbereitete Betttuch werfen wollte, erblickte sie ein Tier. Es war etwas Langes, größer als ein Fuß, und hatte einen schwarzen Körper und rote Tentakeln. Langsam kriechend bewegte es sich auf das Kopfkissen zu. Das war zu viel. Nina hielt sich die Schläfen und schrie aus Leibeskräften: »Papa!«
    Tam war gerade dabei, ihren
áo dài
für den nächsten Tag zu bügeln, als sie den Schrei hörte. Sofort stürzte sie zur Villa Henriette. Nachdem sie um einen dicken Reisekoffer mitten im Flur herumgegangen war, erreichte sie Ninas Zimmer.
    Das französische Fräulein war am Fußende des Bettes zusammengebrochen, starrte mit einem wirren Blick auf die Bärchen-Steppdecke und weinte sich alle Tränen aus dem Leib.
    Tam folgte ihrem Blick. Dann lachte sie laut auf.
    »Es ist nichts! Ein Tausendfüßler.«
    »Das! Ein Tausendfüßler? Ganz und gar nicht, es ist länger als zwanzig Zentimeter. Und schau, die roten Fangarme! Es ist widerlich!«
    »Ein dicker Tausendfüßler, typisch für Annam. Sie sind hübsch, oder?«
    Doch Ninas Augen, durch die Panik vergrößert, glänzten nicht normal. Trotz der Hitze klapperte sie mit den Zähnen. Ein Tausendfüßler konnte nicht so eine Wirkung haben, nicht einmal einer der dickeren, dachte Tam. Mit einer schnellen Bewegung legte sie ihre Hand auf die Stirn

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