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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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ihre Seite.
         Viktoria
fiel rasch in einen tiefen Schlaf, doch als ihre Augen sich wieder
öffneten, war es noch stockdunkel. Der Reisschnaps ließ
ihre Zunge ausgetrocknet an ihrem Gaumen kleben. Sie wälzte sich
herum, während Deweis tiefe, regelmäßige Atemzüge
an ihre Ohren drangen. Es war still geworden in dem Bordell. Nur
vereinzelt erklang Gekicher, dann wieder ein tiefes, männliches
Schnarchgeräusch. Viktoria lauschte angespannt. Mit jeder Faser
ihres Körpers sehnte sie Schritte vor der Tür herbei, ein
knarrendes Öffnen und die Wärme von Jinzis Körper an
ihrer Seite. Sie zählte leise bis zehn. Wenn er kam, bevor sie
fertig war, dann würde sie ihm einfach vergeben, ohne Fragen zu
stellen.
         Es
überraschte sie aber kaum, dass er nicht erschien. Sie ahnte
bereits, dass diese Nacht vielleicht die längste ihres Lebens
werden würde. Bilder zogen vor ihren geschlossenen Lidern
vorbei, sie sah das Strahlen in Jinzis Mandelaugen, als sie ihm zum
ersten Mal ihre Gefühle zeigte, den angestrengten, höchst
konzentrierte Knoten zwischen seinen Brauen, wenn sie sich liebten,
der sich erst im höchsten Moment der Lust löste. Doch ein
anderer Körper schob sich dazwischen, die zarten Glieder einer
asiatischen Frau umschlangen nun jene Sehnen und Muskeln, die
Viktoria so gern berührt hatte.
         Sie
fuhr auf und presste eine Hand vor den Mund, um einen Schrei zu
unterdrücken. Ihr Magen wand sich qualvoll und sie spuckte in
den leeren Wasserbottich, um dann wieder wie eine Tote auf den Kang
zu fallen.
    Warum
hatte sie einem Mann nochmals die Macht gegeben, ihr solchen Schmerz
zuzufügen?

    ******

         Der
erste Schimmer des Morgengrauens war erlösend. Viktoria richtete
sich mühsam auf. In ihrem Kopf kündete ein dumpfes Hämmern
Schmerzen an, jedes Glied ihres Körpers tat bereits weh. Sie
fühlte sich erschöpft und ausgelaugt wie eine alte Frau.
Ein Stück neben sich verspürte sie eine Bewegung, fuhr mit
hoffnungsvollem Herzschlag herum. War Jinzi vielleicht doch …
         »Soll
ich schon ein Frühstück besorgen?«, zerschlug Deweis
Stimme alle Illusionen. Viktoria verschränkte die Hände vor
der Brust, um Kraft zu schöpfen. Sie würde kein elendig
wimmerndes, zurückgestoßenes Weib mehr sein!
         »Wir
brauchen kein Frühstück«, erklärte sie. »Wir
gehen jetzt gleich zu den McGregors zurück. Zu Fuß, denn
Geld für eine Jinrikscha habe ich nicht mehr.«
         Sie
nahm die rötlich schimmernden Ohrringe, mit denen sie Jinzi
hatte gefallen wollen, und warf sie in eine Zimmerecke.
         »Willst
du nicht warten, bis er wiederkommt? Mit ihm reden?«, warf
Dewei zaghaft ein. Viktoria schüttelte energisch den Kopf. Zwar
sehnte sie sich danach, Jinzi ihre Wut und Enttäuschung ins
Gesicht zu schreien, doch hätte dies an der Lage nichts
geändert.
         »Ich
habe ihm nichts mehr zu sagen«, erklärte sie. Als ihr die
Konsequenz dieser Worte klar wurde, begannen Tränen über
ihre Wangen zu laufen. Entschlossen wischte sie sie fort.
         »Komm
jetzt. Ich will hier weg!«
         Dewei
blieb mit gesenktem Kopf im Zimmer stehen.
         »Ich
glaube, du verstehst diese Dinge nicht«, sagte er. »Diese
Frau hat sehr viel für Jinzi getan. Er … er hat ihr
gegenüber Verpflichtungen, denen er sich nicht so leicht
entziehen kann, selbst wenn er möchte.«
         Viktoria
schnaubte. Diese seltsame Mischung aus Prostitution, Bewunderung und
Loyalität, die Jinzis Verhältnis zu der Hure ausmachte,
schien ihr zu widersprüchlich und zu abstoßend, als dass
sie sich damit auseinandersetzen wollte. Dann ließ Deweis
mahnender, fast flehender Blick sie noch für eine Weile auf dem
Kang verharren. Ihr Kopf schmerzte bereits höllisch, die
Anstrengung tat noch mehr weh.
         »Es
ist nicht so, dass ich es gar nicht verstehe«, erkannte sie
nach einer Weile. »Aber leben kann ich damit nicht. Dort, wo
ich herkomme, sollte ein Mann nur eine einzige Frau haben. Ich kann
nichts anderes akzeptieren.«
         Mit
deutlich mehr Ruhe als zuvor stand sie auf. Der Zorn war verraucht,
stattdessen begann sich eine tiefe Trauer in ihr auszubreiten, die
wohl noch Monate auf ihrem Gemüt lasten würde. Aber es gab
keinen anderen Weg.
         »Wo
willst du jetzt hin?«, fragte Dewei, als sie bereits die Tür
aufgeschoben hatte.
         »Zurück
zu meinen Leuten. In die Welt, wohin ich gehöre«,
erwiderte Viktoria. Deweis Brauen zogen sich gequält

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