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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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jedem Fehlverhalten der Dame, die sie zu betreuen
hatte. Viktoria spürte, wie ihr Gesicht rot anlief. Zorn mischte
sich mit Scham, öffentlich zurechtgewiesen zu werden. Am
liebsten wäre sie einfach aus dem Ballsaal gerannt. Dies war der
schlimmste Tag seit ihrer Ankunft in Shanghai.
         »Papperlapapp,
ich habe schon Schlimmeres überlebt als ein Glas Champagner«,
erwiderte Margaret heftig und fegte den Vorwurf mit einer
Handbewegung zur Seite. Viktoria bemerkte zufrieden, dass Emilys
Gesicht sich nun leicht zu verfärben begann.
         »Also,
damals in Nanking«, redete Margaret unbeirrt weiter. »Die
Taiping hatten einen himmlischen König und dann noch ein paar
mehr Herrscher des Westens und Ostens und so weiter. Einer davon, ich
weiß nicht, für welche Himmelsrichtung er zuständig
war, empfing die Gesandtschaft. Dann gab es das übliche
Herumgegockel, wie immer, wenn ach so wichtige Männer
aufeinandertreffen. Der König wollte auf einem höheren
Podest sitzen, was Monsieur de Bourbelon gar nicht lustig fand.
Schließlich einigten sie sich, in einem Nebenzimmer Tee zu
trinken. Aber das gesellige Zusammensein machte die Lage nicht
harmonischer. Wir Christen sollten den himmlischen König als
Bruder von Jesus anerkennen, und als wir es nicht wollten, schickte
man uns wieder aufs Schiff zurück. Der arme Priester war ganz
blass um die Nase. Aber ein wenig freute er sich auch. Ein Chinese
hatte ihm auf der Straße heimlich einen Rosenkranz gezeigt. Er
wusste daher, dass es in Nanking noch ein paar chinesische Katholiken
gab. Dort hatte eine große Gemeinde gelebt und der Priester war
mitgekommen, um zu sehen, wie es ihr so erging.«
         Viktoria
hatte den Tanz vergessen. Auch Emilys tadelnde Bemerkung war
unwichtig geworden. Diese Geschichte klang so fremd und aufregend,
wie sie sich das Leben in China früher vorgestellt hatte.
         »Wie
erging es denn den chinesischen Katholiken?«
         »Na
ja, zunächst waren einige massakriert worden, weil sie nicht
einsehen wollten, dass Jesus plötzlich einen Bruder haben
sollte. Aber die meisten ließ man am Leben, so lange sie den
Mund hielten.«
         Margaret
stellte das leere Champagnerglas auf ein Tablett, das einer der
Diener ihr entgegenhielt. Zu Viktorias Entsetzen griff sie nach einem
weiteren, bis zum Rand gefüllten und drehte es nachdenklich in
der Hand.
         »Vielleicht
dürfte ich das jetzt trinken, Mrs. Huntingdon. Sie hatten doch
schon eins«, meinte Viktoria mit einem freundlichen Lächeln.
         Das
Glas wurde ihr überreicht.
         »Na
gut, dann soll die arme Miss Virchow mal nicht zu kurz kommen.«
         Margarets
linkes Auge blinzelte verschwörerisch. Viktoria konnte nicht
umhin, Emily einen triumphierenden Blick zuzuwerfen. Man konnte
kranke Menschen auch ohne Nörgeln zur Vernunft bringen.
         Emily
räusperte sich. Sie war weiterhin hinter ihrer Glaswand
gefangen, wirkte in dieser Menschenmenge wie eine Einsiedlerin.
         »Die
Taiping waren grausam, wie es eben die Art der Chinesen ist«,
begann sie plötzlich zu reden, als wolle sie sich irgendwie ins
Gespräch einbringen. »Sie haben den christlichen Glauben
für ihren Machtkampf missbraucht, ohne ihn wirklich zu
verstehen. Den Chinesen fehlt … wie soll ich sagen …
das notwendige Empfinden für Menschlichkeit und Anstand. Ihre
uralte Kultur ist doch völlig dekadent.«
         Sie
blickte sich um, als wolle sie überprüfen, ob ihr überhaupt
jemand zugehört hatte. Ein paar Gesichter hatten sich kurz
umgewandt, doch schien der Tanz interessanter als Emily Huntingdons
Vortrag. Viktoria musterte unsicher die Mienen der chinesischen
Diener. Durch ihre Freundschaft mit Magda war ihr endgültig klar
geworden, dass Bedienstete durchaus zuhörten, wenn ihre
Herrschaften sich unterhielten. Sie war sich auch sicher, dass die
anwesenden Chinesen jedes Wort der Schimpftirade verstanden hatten.
Ihre Gesichter blieben glatt wie frisch polierte Spiegel. Trotzdem
wurde Viktoria etwas unwohl.
         »Ach
Emily, sie sind eben anders. Aber du weißt doch fast nichts von
ihrer Kultur«, kam es zu Viktorias Erleichterung von Margaret.
Die alte Dame hatte den Kopf gesenkt, als wäre sie plötzlich
bekümmert. Ihre Hände zitterten leicht. Viktoria umschloss
Margarets rechtes Handgelenk mit ihren Fingern und erhielt ein
dankbares Lächeln.
         »Sich
mit ihrer Kultur zu beschäftigen, reißt jeden aufrechten
Christen ins Verderben, wie

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