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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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nach männlicher Aufmerksamkeit zu
gieren, schmolz beim Klang der Geigen dahin. Gott, sie wollte endlich
wieder einen hübschen Freier haben, der sie zum Tanz
aufforderte! Doch es ging weiter in eine Ecke, wo ein paar Stühle
standen. Emily setzte sich. Robert sah sich um, und als er ein
Grüppchen von wichtig aussehenden, miteinander plaudernden
Männern entdeckte, war er auch schon verschwunden. Emily nickte
ein paar unscheinbaren Damen zu, die in der Nähe platziert
waren. Viktoria stellte den Rollstuhl neben ihnen ab, dann setzte sie
sich ebenfalls. Ihre Füße zuckten ungeduldig zur
Walzermelodie.
         Männer
im Frack schritten durch den Saal und musterten die ihnen zur
Verfügung stehenden Tanzpartnerinnen. Um eine Schwarzhaarige in
glutrotem Taft hatte sich bereits ein Schwarm von Bewunderern
gebildet. Sie wedelte nachlässig mit ihrem Fächer.
         »Meine
Herren, ich kann mich einfach nicht entscheiden. Diesen Tanz lasse
ich aus!«, rief sie so laut, dass es auch alle Mauerblümchen
in der Umgebung mitbekamen. Die Herren murrten im Chor, dann rückten
sie Stühle heran, um an der Seite der schönen Saboteurin zu
verharren. Ein Stachel bohrte sich in Viktorias Brust, denn es hatte
eine Zeit gegeben, da sie selbst sich vor Aufforderungen zum Walzer
nicht hatte retten können. Sie wollte ihren Blick von der Szene
abwenden, aber die Schwarzhaarige hatte auch ihre Aufmerksamkeit
gefesselt. Kurz zeigte sich ihr Profil. Sie hatte dunkle,
mandelförmige Augen.
         »Wer
ist diese Ballkönigin, die unbedingt will, dass wir alle ihren
Triumph mitbekommen?«, wandte Viktoria sich ungewollt an
Margaret.
         »Ach,
das ist Astrid Nielsen, Tochter eines dänischen Seidenhändlers,
der in China ein Vermögen gemacht hat.«
         Viktoria
musste schlucken, denn tief in ihr erwachten boshafte Wünsche,
was Astrid Nielsens Zukunft betraf. Nun also gehörte sie selbst
zu der Gruppe giftiger Neider, unter denen sie einst gelitten hatte.
         »Sie
sieht nicht aus, wie man sich eine Dänin vorstellt«,
meinte sie, um nicht weiter zu grübeln. »Da ist so ein
fremder Zug um ihre Augen. Fast … fast ein wenig asiatisch.«
         Margaret
kicherte leise und schubste Viktoria mit ihrem beweglichen, rechten
Arm.
         »Nicht
so laut, Miss Virchow. Wir wollen uns doch nicht gleich Feinde
machen.«
         Dann
flüsterte sie: »Das ist mir auch schon aufgefallen. Es gab
deshalb Gerede, aber die gute Astrid wurde in Kopenhagen geboren und
ihre ganze Familie kam erst vor zehn Jahren nach Asien. Das also kann
es nicht sein. Ich vermute, es liegt an diesen nordischen
Ureinwohnern, den Eskimos. Dieser Fauxpas eines aufrechten Dänen
ist sicher schon viele Generationen her, aber manchmal schlägt
so etwas eben wieder durch. Aber bitte, von diesen Dingen redet man
hier nicht.«
         Viktoria
begann zu verstehen. Margaret Huntingdon hatte ihr auch abgeraten,
den Drachenreif in der Öffentlichkeit zu tragen. In Europa
mochte das Asiatische exotisch und reizvoll wirken, doch hier in
Shanghai lebte man Seite an Seite mit Asiaten, was offenbar dazu
führte, dass man sich von ihnen abgrenzen wollte.
         Der
Walzer war vorbei. Eine flottere Melodie erklang und ließ
Viktorias Herz hüpfen. Die Polka war ihr Lieblingstanz, den sie
niemals in einem Ballsaal in Shanghai erwartet hätte. Sie
richtete sich auf, versuchte ungezwungen zu lächeln. Diesmal
würde sich schon jemand finden, der sie aufforderte. Sie hätte
sogar den verfetteten Herrn Fiedler genommen, so sehr sehnte sie sich
danach, ein paar Runden auf dem Parkett springen zu können.
         Doch
als der Tanz begann, saß sie immer noch.
         Warum
eigentlich durften Frauen nicht selbst jemanden auffordern? Sie
könnte jetzt aufstehen, sich unter die Gentlemen um Robert
Huntingdon mischen und … und fassungslose Blicke ernten, das
wusste sie genau.
         Als
das Hopsen begann, traten Tränen in Viktorias Augen. Sie ballte
ihre Hände zu Fäusten. Vermutlich lag es an dem schlichten
Kleid. Oder an dem Umstand, dass sie den Rollstuhl geschoben hatte.
Gouvernanten und Gesellschafterinnen hatten zu dienen, nicht zu
tanzen. Dieses ungeschriebene Gesetz schien jeder Mann im Saal genau
zu kennen.
         Eine
kleine, dickliche Gestalt im Frack näherte sich. In ihrem
früheren Leben hätte Viktoria nur geseufzt, doch jetzt
schöpfte sie Hoffnung. Endlich ein Tänzer! Aber er ging an
ihr vorbei, verneigte sich vor einem plumpen

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