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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Erleichterung verschaffen würden. Sie
bereitete einen Sud zu, so wie es die Krähenfrau ihr beigebracht hatte. Voller
Sorgen um den Arzt begab sich Bernina zu Anselmo und Balthasar, die sich im
Schankraum mit dem Wirt des Hauses unterhielten, einem dickbäuchigen, kauzigen
Kerl. Durch ihn erfuhren sie schließlich, dass die Schlacht von Offenburg
vorüber war. Nach einem langen, fast makellosen Triumphzug war Arnim von der
Tauber kurz vor dem entscheidenden Sieg doch noch zurückgeschlagen worden.
Offenbar hatte der Wirt alles von durchziehenden Reisenden erfahren, die auf
dem Weg in weniger gefährliche Gegenden waren. Und nach deren Aussagen befanden
sich Arnim von der Tauber und die Reste seiner Armee bereits auf dem Weg durch
den Breisgau.
    »Ihr ahnt ja nicht, was das Verrückteste war, das ich gehört
habe«, meinte der Wirt und schlug mit seiner schmutzigen Hand nach einer
Fliege. »Die Truppen des Kaisers unter General von Korth waren schon so gut wie
am Ende, so gut wie besiegt, da tauchte plötzlich Verstärkung auf. Im
allerletzten Moment. Sonst wäre Offenburg eingenommen worden. Und wisst ihr,
wer die Verstärkung angeführt haben soll?«
    Weder Bernina noch Anselmo oder Balthasar gaben einen Ton von
sich.
    »Der berühmte Oberst von Falkenberg höchstpersönlich. Unglaublich,
oder? Erst hieß es, er wäre tot. Dann hieß es, er wäre von den Toten
auferstanden. Und jetzt heißt es schon wieder, er wäre wie vom Erdboden
verschluckt. Denn angeblich hat ihn seit seinem großen Angriff auf Arnim von
der Taubers Truppen niemand mehr zu Gesicht bekommen.«
    Bernina erschauerte, als sie daran dachte, wie sie alle den
leblosen Körper des Obersts in dem Wald am Rande Offenburgs zurücklassen
mussten, einfach so, wie ein Bündel Kleidung. Nie würde sie diesen Moment
vergessen, die Scham, die sie dabei empfunden hatte.
    »Aber wer weiß«, drängte sich die polternde Stimme des Wirts
wieder in ihre Gedanken, »vielleicht taucht dieser Falkenberg beim nächsten
Gemetzel urplötzlich wieder auf. Man hört ja die tollsten Sachen über ihn.«
    Er wird nie wieder irgendwo auftauchen, dachte Bernina. Ohne ein
Wort verließ sie den Schankraum. Sie brauchte frische Luft, ein wenig Stille um
sich herum. Lange betrachtete sie die friedvolle Landschaft rund um das
Wirtshaus.
    Erst viel später, es war bereits kurz vor der Abenddämmerung, war
Melchert Poppel wieder bei Bewusstsein. Bernina saß auf seiner Bettkante,
während Anselmo und Balthasar sich erneut in den Schankraum begeben hatten, um eine
Mahlzeit einzunehmen. Allerdings wollte Poppel weder von den Tees noch von den
Salben etwas wissen. Alles, was er verlangte, war Branntwein. Und wiederum
drängte er Bernina, weiterzuziehen. So lange, bis sie sich schließlich
geschlagen gab und einwilligte.
    »Gut«, sagte sie mit einem traurigen Seufzer. »Da Sie ja doch
keine Ruhe geben wollen: Morgen früh werde ich aufbrechen. Und Anselmo wird
mich begleiten.«
    Er lächelte, und wieder einmal wurde ihr bewusst, wie viel Kraft
er seit dem Tag eingebüßt hatte, als sie ihn in Ippenheim zum ersten Mal
getroffen hatte.
    »Das ist der richtige Entschluss, Bernina. Gehen Sie und finden
Sie das, wonach Sie suchen. In Gedanken werde ich bei Ihnen sein.«
    Sie nickte und fühlte schon wieder Tränen. »Und wenn ich zurückkehre,
werden Sie wieder wohlauf sein, Herr Poppel.«
    »So wird es sein«, erwiderte er, und sie wusste, dass er nicht
daran glaubte. Weil sie selbst nicht mehr daran glaubte.
    »Am liebsten würde ich bei Ihnen bleiben.«
    »Das wäre doch Unsinn. Das Wichtigste ist, dass Sie Ihr Ziel nicht
aus den Augen verlieren. Und bei Ihrem Anselmo sind Sie ja in besten Händen.
Ja, und mit Sicherheit wird auch Balthasar immer ein Auge auf Sie haben.«
    »Nein, Herr Poppel. Ich will, dass zumindest Balthasar hier bei
Ihnen ist. Allein schon wegen der schaurigen Männer, die hier abgestiegen sind.
Ihr Beutel mit den Münzen wäre allzu leichte Beute.«
    »Ach, das bisschen Geld.«
    Berninas Wangen waren nass von den Tränen, die sie nicht mehr
zurückhalten konnte. Sie beugte sich nach vorn und sank in die Arme des Arztes.
»Balthasar wird bei Ihnen bleiben und sich um Sie kümmern«, schluchzte sie. »So
lange, bis ich wieder hier bin.«
    »Wie Sie meinen, liebe Bernina«, hörte sie die kraftlose, auf
einmal ganz raue Stimme des Arztes. »Dann lassen Sie diesen Bär hier bei mir.
Und für seine Hilfe soll er den Beutel mit dem Geld erhalten.«
    »Sie werden Ihr Geld

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