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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Bett weggenommen«, sagte Bernina.
    »Du hast mir überhaupt nichts weggenommen.«
    »Ich bin müde. Aber das Pochen in meinem Kopf ist weg. Jedenfalls
fast.«
    Mit geschlossenen Augen lag Bernina da. Bewegungslos ließ sie sich
die Schwellung an ihrem Kopf erneut mit der Salbe bestreichen.
    »Es sieht gut aus«, flüsterte die Krähenfrau. »Gestern dachte ich
noch, das Ei auf deinem Schädel würde zerplatzen und du könntest mir
verbluten.«
    »Danke«, sage Bernina. »Danke für alles.«
    »Danke den Geistern, wenn sie dich schlafen lassen und dir keine
Albträume schicken.«
    Damit zog Cornix sich zurück auf ihr zuvor errichtetes Lager.
    Das Feuer war beinahe heruntergebrannt, aber es spendete gerade
noch so viel Licht, dass Bernina aus den Augenwinkeln beobachten konnte, wie
die Frau sich die zwei obersten Schichten ihrer geflickten Wollstoffe vom
Oberkörper streifte und dann auch das tief ins Gesicht gezogene Kopftuch
ablegte.
    Überrascht stellte Bernina fest, dass Haar von einem fast
farblosen Blond zum Vorschein kam, als hätte es seit vielen Jahren kein
Sonnenlicht mehr gesehen. Was womöglich auch der Fall war. Es war sehr lang und
zu einem Zopf geflochten, der kreisförmig über dem Hinterkopf lag. Fast
erinnerte es Bernina ein wenig an ihr eigenes Haar, nur dass das eben in diesem
vollen Honigton schimmerte, um den Hildegard sie immer so beneidet hatte.
    Von der Seite erspähte Bernina auch die Züge der Frau, die mit
einem Mal ganz anders wirkte. Das Kopftuch schien nicht nur Haupt und Haar zu
schützen, sondern auch viel von ihrem Wesen zu verstecken. Es war, als hätte
sie sich eine Maske vom Gesicht gezogen. Anders sah sie aus, vollkommen
verändert, nicht mehr wie eine Hexe, die den Vollmond anbetete und seltsame
Pasten mischte. Wieder wurde sich Bernina der simplen Tatsache bewusst, dass
die Krähenfrau ein ganz normaler Mensch war. Ein Mensch, der eine Geschichte
haben musste wie jeder andere auch. Wie mochte sie zu der Frau geworden sein,
die in der gesamten Gegend bloß als Krähenfrau bekannt war?
    Mit diesen Gedanken verfolgte Bernina noch,
wie Cornix sich unter einer Decke zusammenrollte, dann schloss sie ihre Augen.
Die Kopfschmerzen hatten tatsächlich nachgelassen. Dennoch war irgendwo in ihr
ein beständiges Klopfen, das aus einer einfachen Frage bestand: Was jetzt? Was
sollte sie mit sich anfangen?
    Allein, plötzlich war sie ganz allein, und die Nacht, die sich
begleitet von einem gespenstischen Knistern des Waldes über die Hütte senkte,
machte ihr nur zu deutlich bewusst, dass da draußen ein anderes Leben auf sie
wartete als bisher.
    Morgen würde sie sich von ihrer Retterin nicht mehr zurückhalten
lassen, das nahm Bernina sich fest vor, während sie noch einmal die Augen
aufschlug, um ins endgültig erlöschende Feuer zu blicken. Morgen würde sie ganz
früh aufstehen und diesem neuen Leben entgegentreten.
     
    *
     
    Die Luft bestand aus Asche und Regen, aus Blut und Tod. Selbst
jetzt noch, zwei volle Tage nach den schrecklichen Ereignissen, die urplötzlich
über das einsame Tal hereingebrochen waren.
    Alles war noch fühlbar, wie mit den Händen zu ertasten, der
Pulverdunst und die Angstschreie, der starke Geruch der Pferde und das Wüten
der Flammen. Ruhe hatte sich über die Ruinen des Hofes gebreitet. Aber es war
eine andere Stille als die vor zwei Tagen. Sie war nicht Unheil verkündend,
kroch nicht unter die Haut, sie drückte nur aus, dass hier etwas zu Ende
gegangen war, das nie wieder zum Leben erweckt werden konnte. Auch von den
Nebelfetzen, die etwas Unheimliches ausgestrahlt hatten, war nichts mehr zu
entdecken.
    In der Kühle des Morgens steckte noch die kalte Jahreszeit, es gab
allerdings schon Flecken satten Grüns zu sehen, auch neue Buschwindröschen und
Märzveilchen. Der Frühling würde kommen, wie er sich jedes Jahr ankündigte, und
doch war alles anders als zuvor.
    Ganz langsam und noch geschwächt ging Bernina zwischen den
Gebäuden hin und her. Die Krähenfrau war zu einem kurzen Abstecher in den Wald
aufgebrochen, um bestimmte Wurzeln auszugraben, die für eine Suppe fehlten.
Bernina hatte den Moment genutzt und zum ersten Mal die Hütte verlassen.
Behutsam setzte sie Schritt für Schritt, als könnte jedes noch so geringe
Geräusch die Stille einstürzen und von Neuem die Gewalt aufleben lassen.
    Von den Schuppen, Ställen und den
Unterkünften der Bediensteten war so gut wie nichts übrig geblieben.
Grauschwarz, zunächst von großer Hitze, dann von

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