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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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schleierhaft. Aber sie konnte sich
ebenso wenig dagegen wehren wie zwei Tage vorher, einem eigenartigen Summen zu
folgen.
    Ziellos huschten ihre Finger nun über andere Gegenstände, die zum
Inhalt der Truhe gehört hatten. Etliche getrocknete Blumen, ein Messer mit
abgebrochener Spitze, außerdem waren da mehrere gerüschte Lätzchen, wie sie
sich feine Herren oft an ihre Kragen annähen ließen, um noch vornehmer
auszusehen. Sie hielt eines dieser Lätzchen lange in der Hand und befühlte den
dünnen Stoff, bevor sie es wieder zu Boden gleiten ließ. Weder Wolfram Vogt
noch einer seiner Freunde oder Besucher hätte jemals so etwas getragen.
    Langsam erhob sich Bernina. Noch einmal ließ sie ihren Blick durch
den Raum wandern, der nicht zum Petersthal-Hof oder sonst einem Bauernhof
dieser Gegend zu passen, der eher eine kleine abgeschlossene Welt für sich
darzustellen schien.
    Die Welt eines offenkundig gebildeten Menschen, eines Bürgers oder
gar eines Adligen.
    Ein leises, fast nicht zu hörendes Geräusch ließ Bernina
zusammenzucken. Das Knirschen des Flurbodens.
    Jemand kam vorsichtig den Flur entlang, näherte sich offenbar dem
Raum.
    Die Schreckensbilder des Überfalls zeichneten sich erneut vor ihr
ab. War sie zu unvorsichtig gewesen? Waren die Mörder etwa noch in der Nähe?
    Ein dunkler Schatten fiel ins Zimmer, und einen langen quälenden
Moment sah sie schon den schwarz gekleideten Mann vor sich.
    »Dachte ich’s mir doch.«
    Die Stimme schwebte in den Raum, und Bernina fühlte eine angenehme
Erleichterung in sich aufwallen.
    Die Krähenfrau kam herein, die winzigen Augen streng auf Bernina
gerichtet. »Dieser Hof«, sagte sie, »ist kein guter Ort mehr für dich. Ein Ort
des Todes. Die Luft ist voll von bösen Geistern und dunklen Mächten.« Ein
Kopfschütteln. »Los, lass uns von hier verschwinden und nie wieder
zurückkehren.«
    »Aber das ist mein Zuhause«, sagte Bernina und versuchte, ihrer
Stimme Nachdruck zu verleihen.
    »Was willst du hier noch? Dieser Hof ist tot. Du musst dir ein
neues Leben suchen.«
    »Cornix, ich kann doch nicht einfach weg von hier.«
    »Du kannst nicht? Du musst sogar. Etwas anderes bleibt dir nicht
übrig.«
    Unauffällig huschten die Augen der Frau im Zimmer umher und etwas
in ihren Zügen veränderte sich. Kaum merklich zwar, aber es war Bernina nicht
entgangen.
    »Freue dich lieber über dein Glück«, fuhr die Frau fort. »Darüber,
dass du nicht hier warst, als die Fremden kamen.«
    »Wer waren diese Männer überhaupt? Zu wem gehörten sie?«
    »Ach, wer vermag das schon so genau zu
sagen? So viele Heere hat das Land in den vielen Jahren gesehen, seit es Krieg
gibt.« Sie winkte ab. »Auf jeden Fall waren es Söldner, gewissenlose,
seelenlose Söldner, die ihre Waffen an den vermieten, der am meisten bezahlt.
Vielleicht gehörten sie zu Arnim von der Tauber, der sich mit den
hinterlistigen Franzosen verbündet hat. Oder zu den Truppen, die für den Kaiser
töten. Für mich kämpfen sie alle gemeinsam, auch wenn sie gegeneinander in die
Schlacht ziehen. Alle gemeinsam für den immer gleichen Herrn: den Satan.«
    Bernina hatte sich während der bitteren Worte noch einmal im
Zimmer umgesehen. »Kennst du diesen Raum?«, fragte sie dann. »Hast du gewusst,
dass es ihn gibt?«
    »Ich?« Ein betont spöttisches Auflachen. »Woher, bitte schön, soll
ich denn so etwas wissen? Seit 100 Jahren habe ich schon kein Haus wie dieses
mehr betreten. Die Leute würden mich ja auch sofort wieder hinauswerfen, wenn
ich’s versuchte. Sie erzählen, ich würde böse Flüche verbreiten. Dabei sind sie
es, die das Böse überall verteilen.«
    Sie hatte sich in Wut geredet, und in ihren Augen blitzte es auf.
    »Es war ja bloß eine Frage«, wiegelte Bernina ab, um sie ein wenig
zu beruhigen. »Ich habe es nicht böse gemeint.«
    »Weiß ich doch, Kind.« Cornix bemühte sich, mit wieder milderer
Stimme zu sprechen.
    Bernina seufzte kurz auf. »Ein sonderbares Gefühl, hier zu sein.
Ich meine nicht nur diesen Raum, sondern das Haus, den ganzen Hof. Als wäre
alles ein Albtraum und man würde gleich wieder aufwachen.«
    »Leider ist alles nur zu wahr. Und ich meine es ernst, lass uns
endlich von hier verschwinden. Du solltest nicht hier sein, ein unschuldiges
junges Ding wie du. Ich sagte es dir doch: Das ist ein Ort des Todes. Ein Ort
für Dämonen und Gespenster.«
    Bernina nickte. »Du hattest schon recht, es gibt hier in der Tat
nichts mehr für mich zu tun. Das Wenige, was ich

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