Das Geheimnis der Magischen Ohren (German Edition)
Abend, dabei ist es erst Mittag. Sogar meine Magischen Ohren sind müde, denn als Peter ins Schlafzimmer geflattert kommt und sich auf der Gardinenstange des Seidenvorhangs niederlässt, verstehe ich kein Wort, das er krächzt.
Eve ermahnt ihn, niemals in den Vorhang hineinzufliegen, weil er sonst in einer anderen Welt landen würde.
Gähnend nehme ich Marty von meiner Schulter, streife den Kaftan über den Kopf und ziehe meine eigenen Sachen an. Marty scheint auch ziemlich platt zu sein, denn er hat die Augen geschlossen und murmelt schlaftrunken vor sich hin.
Ich verabrede mit Eve, dass ich morgen so früh wie möglich wiederkomme, dann radle ich heim.
Als ich die Haustür aufschließe, sehe ich Mum im Flur stehen und die Handtasche schultern. Sie fragt mich, wie die Nachhilfe war.
Nachhilfe? Das scheint mir eine Ewigkeit her zu sein. «Ganz okay», murmle ich.
«Ich gehe mir die Barkley Ausstellung anschauen. Magst du mitkommen?»
«Nö.» Ich gähne und recke die Arme. «Was gibt’s zum Abendbrot, äh, Mittagessen?»
Doch Mum hat nicht gekocht. Dad und Ken sind bei Freunden zum Barbecue eingeladen, und sie hat vor, sich auf dem Weg zur Ausstellung eine Kleinigkeit zum Essen zu besorgen, sagt sie und wedelt mit einem Faltblatt vor meiner Nase herum.
Ich nehme es ihr ab, weil das Gewedel mich nervös macht, und lese die Überschrift. «The Barkley Exhibition – Chinese Silk.» Eve würde das sicher interessieren.
«Wir könnten unterwegs eine Pizza kaufen», schlägt Mum vor.
Mein Magen antwortet an meiner Stelle, indem er laut und vernehmlich knurrt.
«Also schön», sage ich. «Ich komme mit.»
Vorher gehe ich noch in mein Zimmer, hole den schlafenden Marty sachte aus der Kapuze und lege ihn in sein weiches Wattenest.
Im Auto nicke ich sofort ein. Mum weckt mich, als sie die versprochene Pizza besorgt hat, dazu eine Cola. Beides bringt mich schnell wieder in Schwung. Als wir bei der Kunstgalerie ankommen, bin ich sogar fit genug, um Mum in eine Parklücke einzuweisen. Genau genommen in zwei Parklücken, denn eine reicht ihr nie, und dabei ist ihr Auto nicht größer als eine Käseschachtel.
Ich folge Mum durch die Räume der Ausstellung. Sie hat sich an der Kasse eine Infobroschüre gekauft und rezitiert vor jedem Exponat, was man darüber wissen sollte. Es gibt Wandbehänge und Paravents, Kleidungsstücke und Seidenteppiche. Ich schlurfe in den nächsten Ausstellungsraum und bleibe wie angewurzelt stehen. Mit einem Schlag bin ich hellwach und fange an, aufgeregt zu japsen.
Mum legt eine Hand auf meinen Arm. «Was ist denn?»
Ich starre immer noch wie benommen an die Wand. Ich muss dringend mit Eve sprechen. Sofort! «Ich muss kurz aufs Klo.»
Ich renne durch die Ausstellungsräume zurück ins Foyer, finde die Toilette und sperre mich in einer Kabine ein. Eves Nummer habe ich in meinem Handy gespeichert.
Als sie rangeht, sage ich ohne große Vorrede: «Eve, you must come to the art gallery where the Barkley Exhibition is.»
«Why?»
«You’re not going to believe it.» Ich hole tief Luft. «I found a curtain that looks exactly like yours.»
Eve sagt, dass sie sich sofort auf den Weg macht.
Als ich aus der Toilette komme, steht Mum im Foyer und fächelt sich mit der Infobroschüre Luft zu. «Ich bin durch, wir können heimfahren.»
«Fahr du ohne mich. Ich schau mir noch den Rest der Ausstellung an und treffe mich danach mit Huhana», behaupte ich.
Mum drückt mir die Broschüre in die Hand, wünscht mir noch viel Spaß und geht.
Ich setze mich auf eine Bank im Foyer und blättere in der Broschüre. Wer ist dieser Mr. Barkley, dem alle Ausstellungsstücke und somit auch der zweite Seidenvorhang gehören? Auf der letzten Seite wird er vorgestellt, mit einem gestochen scharfen Schwarzweißfoto. Ich muss nur einmal hinsehen und schon habe ich wieder Herzklopfen, so wie vorhin beim Anblick des Vorhangs. Das ist kein anderer als Elmo.
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und studiere das Foto genauer. Elmo trägt einen Anzug mit Krawatte, außerdem hat er die Haare nach hinten gegelt, doch er ist es unverkennbar. Der kurze Hals, die Geheimratsecken, die kantigen Gesichtszüge. Laut dem Artikel über ihn, den ich aufgeregt überfliege, ist er ein Galerist und Kunstsammler aus New York. Warum hält sich ein Kunstsammler aus den USA heimlich in Valanna auf?
«Okay, where is it?», höre ich Eve keuchen und blicke auf.
Sie muss vom Parkplatz hierhergerannt sein. Ihre Wangen sind gerötet und
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