Das Geheimnis der Mangrovenbucht
Leute dieses häßliche kleine Haus so nahe an eures gebaut haben.
Trotzdem nimmt es nicht allzuviel Sicht weg.«
»Gary behauptete das Gegenteil.
Vom Wohnzimmer aus stört es den freien Blick nach draußen, und er war immer
sehr böse darüber. Er versuchte, das Haus zu kaufen, aber die Leute wollten es
nicht hergeben. Schließlich kam es zu einem heftigen Streit.«
Schon wieder ein Streit. Ob es irgend jemanden gab, fragte sich Pauline, mit dem Holder
sich nicht gezankt hatte? Allmählich konnte sie sich ein Bild von ihm machen —
sie sah nicht mehr diese bemitleidenswerte Gestalt, die sie im Bootshaus
gesehen hatte, vor sich, sondern einen reichen, arroganten Mann, einen Tyrann,
der der Meinung war, daß selbst die Aussicht von den Fenstern sein Eigentum
sei, von seiner Frau gar nicht zu reden. Langsam fragte sie: »Und was sind das
für Leute, die nebenan wohnen? Verstehst du dich mit ihnen?«
»Die Taylors? Ich kenne sie
nicht sehr gut, denn Gary wollte nicht, daß ich mit ihnen etwas zu tun habe.
Ich glaube, sie sind recht nett, aber meistens sind sie nur am Wochenende hier.
Komm herein, Pauline. Wir machen etwas Kaffee. Ich habe noch nicht
gefrühstückt. Und du?«
»Genug, um den Marsch durch die
Sumpfebene zu überstehen; aber der Kaffee wird mir trotzdem guttun.«
Während Verity beschäftigt war,
ging Pauline durch das Haus. Pauline fand es scheußlich; es strotzte vor
neureicher Geschmacklosigkeit. Das muß alles Holders Werk gewesen sein, denn
man konnte keine Spur von Veritys Hand entdecken —
zumindest nicht von dieser Verity, die sie gekannt hatte. Selbst die Bücher
waren anscheinend nur wegen ihres Einbandes, ihrer Farbe und ihrer
entsprechenden Größe für die Regale gekauft worden. Die Bilder wirkten
armselig. Trotzdem — vom Wohnzimmer abgesehen — bot sich einem von jedem
Fenster aus eine herrliche Aussicht. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, daß
das kleine, häßliche Haus, das neben seinem
prunkhaften stand, einem Potentaten wie Holder sehr mißfallen hatte.
Während die beiden Mädchen
ihren Kaffee tranken, sprachen sie nur sehr wenig. Jede wußte, daß die Gedanken
der anderen über die Sumpfebene gewandert waren und sich mit dem alten
Bootshaus und den dortigen Ereignissen befaßten .
Verity verfiel schließlich in völliges Schweigen, bis Pauline endlich sagte:
»Das bringt nichts, meine Liebe. Wir sind beide müde. Und schließlich haben wir
ja noch etliche Tage Gelegenheit, uns zu unterhalten. Vielleicht sollten wir
uns jetzt ein bißchen hinlegen? Ich nehme mir ein Buch und verkrieche mich in
deinem schönen Gästezimmer. Das von David ist nicht ganz so luxuriös, und
gestern war es besonders scheußlich.«
»Was glaubst du, wann sie
zurück sind? Die Männer, meine ich.«
»Vermutlich zu einem etwas
verspäteten Lunch. Aber das erledige ich schon. Zeig mir nur bitte vorher noch
die Küche.«
Dann trennten sie sich dankbar.
Es ist nicht so einfach, überlegte Pauline, wieder da anzufangen, wo man
aufgehört hat, insbesondere mit den Jahren einer Ehe dazwischen und einer
Tragödie wie dieser. Doch sie mußte sich eingestehen, daß dies nicht die
einzigen Gründe waren. Es war nicht der verstorbene Gary Holder, der dazwischen
stand, es war auch David.
Sie legte sich für einige Zeit
nieder und versuchte, sich in ein Buch zu vertiefen. Aus Veritys Zimmer drang kein Laut, und sie hoffte, daß das Mädchen schlief. Um etwa ein
Uhr stand Pauline auf und ging ins Eßzimmer , von
dessen Fenstern aus sie die Straße erblicken konnte. Plötzlich sah sie die
Männer herankommen, eine nasse Gruppe, mit Rutherford und Anthony — beide
entsetzlich schmutzig — im Hintergrund. Pauline konnte sich ein Lächeln nicht
verkneifen. Wenn Anthonys Wunsch sich erfüllt haben sollte und der Sergeant in
den Sumpf gefallen war, dann hatte er wenigstens nicht allein leiden müssen.
Sie ging zu Veritys Zimmertür und klopfte sanft an. Sie wurde sofort geöffnet; Veritys angespanntes, bleiches Gesicht und die tiefen Ringe unter den Augen deuteten
darauf hin, daß sie nicht sehr gut geruht hatte.
»Die Männer kommen. Anthony und
der Polizist bieten einen herrlichen Anblick. Ich vermute, daß der Sergeant
noch einige Fragen stellen wird. Soll ich sie zum Lunch einladen?«
»O ja, wenn sie bleiben
möchten. Pauline, was werden sie mich wohl fragen — über Gary oder über...?«
Sie hörte zu sprechen auf und
blickte ihre Freundin hilflos an. Pauline legte ihr beruhigend die Hand auf den
Arm
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