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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Die Menschen vor ihr drängten immer heftiger nach hinten. Als Yayah zu husten begann, beschloss Zahra zu gehen. Niemand wagte es, sich dem massigen Zubair entgegenzustellen, so dass sie den Platz rasch hinter sich lassen konnten, aber auch als sie schon etliche Straßenzüge entfernt waren, fiel Zahra das Atmen noch schwer. Schuld daran waren jedoch nur zum geringen Teil die Rauchschwaden, die weiter von der Plaza in die Gassen der Stadt krochen. Es war die Angst vor der Zukunft, die ihr den Atem nahm.
     
    Nichts wäre Zahra an diesem Tag lieber gewesen, als die Stadt sofort zu verlassen und in den Schutz der Seidenfarm zurückzukehren, doch Mosches Patientin brauchte sie noch. Zumindest aber ließ sie Yayah von Zubair zurück zur Farm bringen und bot Maryam an, Yayah und Zubair zu begleiten. Die junge Frau bestand jedoch darauf, bei ihr zu bleiben. »Ich kenne Euch doch: Wenn ich nicht für Euch koche, werdet Ihr Euch wieder nur von ein paar Stücken Obst ernähren, und dabei seid Ihr ohnehin schon so mager!« Auch ihren Sohn wollte sie nicht zurück zur Farm bringen lassen. Seit dem frühen Tod ihres Mannes war er alles, was sie hatte, und sie war nur ruhig, wenn sie ihn in ihrer Nähe wusste.
    Am Abend kehrten Jaime und Raschid von der Alhambra zurück. Da sie befürchteten, dass es in der Nacht zu Unruhen kommen könnte, positionierten sie zwei Wachleute an der Haustür. Als sie den Patio betraten, lief Zahra ihnen entgegen und begrüßte Jaime mit einer langen Umarmung. Sie fand es selbst übertrieben, wie unglaublich erleichtert sie war, ihn zu sehen, aber seit sie nach der Bücherverbrennung nach Hause gekommen war, hatte sie ständig das Gefühl gehabt, das nächste Unheil stünde schon bevor, und war froh, zumindest ihn und ihren Bruder wohlbehalten vor sich zu sehen.
    »Es ist doch vorbei, Zahra, ruhig, es ist vorbei!«, raunte Jaime ihr zu, grub die Finger in ihr dickes Lockenhaar und küsste sie auf die Stirn.
    »Und woher willst du wissen, dass es vorbei ist?«, gab Zahra mit dünner Stimme zurück. »Was, wenn es der Anfang war?«
    »Aber nein, Zahra, gewiss nicht, außerdem haben wir uns selbst im Krieg immer irgendwie retten können. Inschallah, Zahra, vertrau darauf, dass wir eine Lösung finden werden! Auch jetzt hast du ja zumindest den Koran deiner Großeltern retten können!«
    Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu, und auch wenn Zahra ahnte, dass ihm weit weniger leichtherzig zumute war, als er vorgab, und ihm die Bücherverbrennung ebenso an die Nieren ging wie ihr, war sie ihm doch dankbar für seine Zuversicht und fühlte sich so sehr eins mit ihm wie schon lange nicht mehr – und sie glaubte ihm. Ja, in diesem Moment glaubte sie ihm, weil sie fühlte, dass er alles tun würde, um sie zu schützen und zu verteidigen. Zahra vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. Jaime begann zu schnüffeln. »Du riechst … Wieso riecht dein Haar nach Rauch? Sag nicht, du warst auch dort!«
    Zahra sah zu ihm auf und hob verlegen die Achseln. »Wie hätte ich nicht dort sein können?«
    Jaimes Miene verschloss sich, und als Zahra schon befürchtete, er würde sie loslassen und ihr Vorhaltungen machen, atmete er sehr lange und gründlich aus und strich ihr über den Rücken. »Ja, da hast du recht: wie auch nicht … Ich hoffe, dir ist zumindest klar, wie sehr ich diese Bücherverbrennung bedauere – und übrigens auch die Auseinandersetzung mit Abdu neulich … und das, was ich zu dir gesagt habe!«
    Zahra nickte und wollte noch etwas erwidern, aber im gleichen Moment öffnete sich die Haustür, und kurz darauf betrat Abdarrahman den Patio. Nach einem kurzen Zögern gab Jaime ihm, ganz wie früher, einen aufmunternden Klaps auf die Schulter, und Zahra hoffte, dass nur ihr auffiel, wie Abdarrahman zurückzuckte. Sie tauschte einen langen, bittenden Blick mit ihrem Sohn, dem dieser erst voller Trotz standhielt, aber dann nickte er doch: Ja, er würde den Frieden wahren, zumindest heute. Zahra atmete auf.
    Still nahmen sie kurz darauf ihre Plätze zum Essen ein, auch Raschid hatte sich mittlerweile zu ihnen gesellt, und genossen den Lammeintopf, den Maryam zubereitet hatte. Ihre Gespräche verfingen sich in kleinen Alltäglichkeiten: Der Nachbarssohn würde in der folgenden Woche heiraten, der Sohn des Imams am Wochenende beschnitten werden, der alte Nabil war von seiner Pilgerreise zurückgekehrt … Mit einem Mal kamen Zahra die Tränen. Verstohlen wischte sie sich mit dem Zeigefinger über die Wangen und

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