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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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versteinert.
    Endlich kam Zahra eine Idee. »Schnell, Maryam, hoch auf die Dachterrasse mit euch, und von dort flieht ihr über die Terrassen der Nachbarn, bis ihr in sicherer Entfernung vom Haus seid, und geht dann zum Hammam. Wenn sich alles beruhigt hat, komme ich euch dort abholen!«
    »Hamid ist zu groß«, heulte die Dienerin auf. »Ich darf ihn nicht mehr zu den Frauen mit reinnehmen! Schon das letzte Mal hat die
mu’allima
sich geweigert, ihn einzulassen, und bis ich ihr alles erklärt habe, haben uns die Büttel längst eingeholt!«
    Zahra überlegte angestrengt. Erneut hämmerte es an der Tür, und das so gewaltig, dass Zahra befürchtete, die Büttel könnten ihre Drohung wahr machen.
    »Zubair, sag ihnen, wir öffnen. Sie mögen sich nur gedulden, bis wir … angezogen sind!« Zu Maryam zischte sie: »Dann lass Hamid bei mir! Vertrau mir! Ich gebe ihn als meinen Sohn aus. Und jetzt lauf los, beim Allmächtigen, lauf!«
    Zahra sah, wie Maryam zögerte, und verstand nur zu gut, welch heftiger innerer Kampf sich in der armen Frau abspielte. »Maryam, das ist Hamids einzige Chance!«, drängte sie sie erneut und schob sie zur Treppe im Innenhof. »Nur so können wir Hamid retten!«
    Erst drei quälend lange Atemzüge später kam Bewegung in Maryam. Sie küsste ihren Sohn noch einmal auf die Stirn und eilte mit fliegenden Kleidern die Treppen hinauf.
     
    Kaum hörte Zahra die Tür zur Dachterrasse zuschlagen, zog sie Hamid hinter sich und machte Zubair Zeichen, zur Haustür zu gehen. »Ganz ruhig, Hamid, und vergiss nicht: Ab sofort bist du
mein
Sohn!«
    Der hübsche Knabe nickte, an den langen Wimpern schimmerten Tränen. Schon gestern, als klarwurde, dass Hamid vor den Christen in Sicherheit gebracht werden und deswegen aus der Stadt fliehen musste, hatte er bittere Tränen vergossen, denn mit dem Weggehen von Granada zerbrachen auch all seine Hoffnungen für die Zukunft. Zahra und Raschid war schon lange aufgefallen, wie klug der Junge war, und da sie Maryam nach dem Tod ihres Mannes versprochen hatten, ihr beizustehen, wo immer es ihnen möglich war, hatten sie beschlossen, dem Jungen genau wie ihren Kindern die Gelegenheit zu geben, in die Koranschule zu gehen und dort später in der Medresse weiter zu studieren. Mit seinem Lerneifer hatte Hamid rasch die Aufmerksamkeit seines Lehrers auf sich gezogen. Seither träumte Hamid davon, genau wie Abdarrahman Arzt zu werden, und entsprechend hart traf es ihn, die Stadt nun für unabsehbare Zeit, ja, womöglich sogar für immer verlassen zu müssen.
     
    Als Zubair die Haustür öffnete, stürmten sofort zwei Büttel an ihm vorbei in den Innenpatio. Der eine war ein drahtiger, älterer Mann, der andere überragte ihn um mehr als einen Kopf, hatte Hände groß wie Grabschaufeln und starrte Zahra so dunkel an, dass ihr fast das Herz stehenblieb. All ihren Mut zusammennehmend, zog sie ihren Hidschab fester über dem Gesicht zusammen und rief im Brustton echter Empörung: »Was fällt Euch ein? Ihr habt kein Recht, in das Haus unbescholtener Mauren einzudringen!«
    »Halt’s Maul, Frau!« Der Drahtige hielt Zahra ein Amtsschreiben vors Gesicht, dies allerdings so flüchtig, dass Zahra noch nicht einmal die Überschrift lesen konnte. Sie streckte die Hand nach dem Schreiben aus. »Wenn Ihr erlaubt?«
    Der Mann war über ihr Ansinnen so verblüfft, dass er ihr das Schreiben tatsächlich reichte. Zahra nahm an, dass er noch nicht viele Frauen getroffen hatte, die lesen konnten. Ihr ging es vor allem darum, Zeit zu schinden, damit sich Maryams Vorsprung vergrößern konnte.
    Nach wenigen Atemzügen riss der Büttel ihr das Schreiben wieder aus der Hand. »Das reicht jetzt! Und nun sagt schon, wo sie sind!«
    »Wer – sie? Woher soll ich wissen, wovon Ihr redet, wenn Ihr mich das Schreiben nicht lesen lasst?«
    »Eure Dienerin Maria und ihr Sohn! Wir sollen das Kind mitnehmen, damit dieses gottlose Geluder endlich ein Ende hat. Der Junge kommt jetzt in eine christliche Familie, wo er eine gottgefälligere Erziehung erfahren kann, als dies hier der Fall ist! Also, wo sind die beiden?«
    »Oh, es geht um Maria!« Zahra drückte Hamids Hand. »Nun, die Frau ist vor ein paar Tagen weggelaufen, mit irgendeinem Mann! Den Jungen hat sie mitgenommen. Wenigstens das! Aber wo sie jetzt sind …« Sie zuckte mit den Achseln und hoffte, dass man ihr nicht ansah, wie es ihr die Kehle zusammenschnürte. Auch dass sich Hamid immer mehr verspannte, machte es nicht leichter für

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