Das Geheimnis der Maurin
auf seiner Liste abhaken kann!«, knurrte Jaime. »Und damit du auch gleich das noch weißt und dich darauf einstellen kannst: Talavera hat mich gestern zu sich bestellt und mir erklärt, dass einer Heirat von uns jetzt, da auch du getaufte Christin bist, nichts mehr im Wege stehe und dass er erwartet …«
»… erwartet?« Zitternd fuhr Zahra zu ihm herum. »Zwei Jahrzehnte lang hast du mich mit der Schande leben lassen, nicht nach den Gesetzen meiner Religion verheiratet zu sein – zwei Jahrzehnte lang! Und nur, weil dein Talavera mit dem kleinen Finger zuckt, soll ich jetzt vor einen christlichen Traualtar treten?« Ihr brach kurzzeitig die Stimme. »Weißt du was? Ich werde überhaupt keine Kirche mehr betreten, heute nicht und morgen nicht und überhaupt nie mehr. Das Ganze ist ohnehin eine Farce: Kein Einziger meiner Glaubensbrüder und -schwestern glaubt, nur weil ihr euer Weihwasser über sie geschüttet habt, plötzlich an euren Gott!«
»Aber so weit, wie du tust, liegen unsere Religionen doch gar nicht auseinander!«
»Ach nein? Und was hat dich dann seinerzeit daran gehindert, zum Islam zu konvertieren?« Zahra schüttelte den Kopf. »Wie verlogen das alles ist. Außerdem weißt du ganz genau, dass die Unterschiede schon damit anfangen, dass die Geburt des von euch so verehrten Jesus im Koran nicht die eines Gottessohnes, sondern die eines Propheten, eines Menschen aus einer menschlichen Mutter ist und wir ihn deswegen nicht als Gott anbeten dürfen. Im Koran steht:
Es gibt nur einen Gott, und Mohammed ist sein Prophet!
Und natürlich glauben wir auch nicht an eure Kreuzigung – und hätte sie stattgefunden, wäre sie eine geradezu unfassbare Erniedrigung des Propheten Jesus und des allmächtigen Gottes gewesen. Aber sie hat nicht stattgefunden, denn niemals hätte Allah zugelassen, dass sein Prophet gepeinigt und getötet wird! Und da ich nicht an deinen, sondern an meinen Gott glaube, werde ich den meinen auch nicht dadurch verhöhnen und beleidigen, dass ich in deine Kirche gehe!«
»An was oder wen du glaubst, ist mir vollkommen gleichgültig, Zahra, und das habe ich auch schon tausendmal gesagt. Sonntags einen Kirchenbesuch, die Taufe von Mohammed, unsere Eheschließung – zum Donner, mehr will ich doch gar nicht von dir! Was ist denn so schlimm daran, zumal es doch die Fatwa gibt, die dir all dies ausdrücklich erlaubt?«
»Du scheinst da etwas gründlich misszuverstehen: Die Fatwa ist keinesfalls ein Erlaubnisschein, fortan als gläubiger Christ zu leben, und sie sagt auch nicht, dass wir in die Kirche gehen
sollen
– sondern lediglich, dass wir nicht bestraft werden, wenn wir es gegen unseren Willen tun. Doch dabei erwartet man von uns sehr wohl, dass wir alles vermeiden, was wir nur vermeiden können!«
»Aber es zwingt dich niemand, den Märtyrer zu spielen! Verdammt, Zahra, was willst du mir beweisen? Dass du die Gute, die Edle, die Unangreifbare, die Erniedrigte, das bedauernswerte Opfer bist – und ich nur ein verdammungswürdiger Christ? Vergiss bitte nicht, dass für ein solches Gebaren derzeit der denkbar schlechteste Zeitpunkt ist, weil dich das dein Leben kosten wird!«
»Genau das scheinst du nicht zu verstehen: Nämlich, dass es mich so oder so das Leben kostet – weil ich so nicht leben kann«, stöhnte Zahra und sank matt zurück gegen das Mashrabiya-Gitter. »Was dir als ein schlechter Zeitpunkt erscheint«, sagte sie leise, »ist für mich die einzige Art, wie ich überhaupt noch Luft holen kann. Für mich ist es gerade jetzt wichtig, an meinem Glauben festzuhalten, denn von ihm hängt mein künftiges Leben ab: mein Leben nach dem Tod. Und um nichts anderes geht es mir. Und was Abdu betrifft: Du kannst nicht erwarten, dass er, nachdem sich seine Frau nur wegen dieses unmenschlichen Erlasses das Leben genommen hat, heute in die Kirche marschiert, als sei nichts gewesen. Es vergeht kein Tag, an dem ich Allah, dem Schöpfer des Universums, nicht danke, dass er Adilahs Tod allmählich zu überwinden beginnt. Und wenn unser Sohn nach Adilahs Selbstmord vor Schmerz nicht selbst mehr tot als lebendig und ganz betäubt von Tamus Kräutern gewesen wäre, hättest weder du noch sonst jemand auf dieser Welt ihn dazu bewegen können, sich taufen zu lassen. Also sei zufrieden, dass er zumindest das über sich hat ergehen lassen, und hör auf, ihn zu bedrängen, sonst wird er nie den Weg zu dir zurückfinden. Mehr als diese schändliche Taufe kannst und darfst du nicht von
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