Das Geheimnis der Maurin
ließ sich Aaron, der ihr sofort gefolgt war, ein Stück zurückfallen. Obwohl ihr Vater sie bemerkte, zügelte er sein Pferd erst, als sie ihm zum dritten Mal hinterhergerufen hatte, dass er auf sie warten möge.
»Was willst du?«, knurrte Jaime sie an. »Warum bist du nicht mit Raschid vorausgeritten? Drückst jetzt auch du dich noch vor dem Gottesdienst?«
»Ich … Nein! Ich wollte nur nicht ohne Euch reiten!« Chalida sah ihn drängend an. »Vater, bitte, Ihr … Ihr müsst mir versprechen, dass Ihr das, was Ihr eben zu Mutter gesagt habt, nicht ernst meint!«
»Kümmere dich um Dinge, die dich etwas angehen!«
»Aber …«
Jaime warf ihr einen so finsteren Blick zu, dass Chalida ihre weiteren Worte im Hals steckenblieben.
»Und jetzt reite endlich zu, damit du noch rechtzeitig zum Gottesdienst kommst!«
»Geht … geht Ihr wenigstens mit mir in die Kirche?«
Erst nach etlichen Atemzügen nickte er und schlug dann Barbakan auf die Hinterhand, woraufhin der Hengst wiehernd in Galopp verfiel.
Nach dem Gottesdienst zog sich Jaime mit Raschid in den Schatten einer Platane zurück, während Deborah mit den Kindern und den Dienern zu einer nahe gelegenen Zisterne ging, um sich den Mund auszuspülen und Gesicht und Hände zu waschen – und wenigstens einen Hauch dessen von sich spülen, mit dem sie gezwungenermaßen in Berührung gekommen war. Jaime bat Raschid, seine Kinder mit zurück zur Farm zu nehmen. »Ich … ich werde fürs Erste im Stadthaus wohnen. Den Grund kannst du dir sicher denken.«
Raschid nickte betrübt, und noch ehe er etwas erwidern konnte, schob sich Chalida zwischen sie und flehte ihren Vater an, bei ihm bleiben zu dürfen. »Bitte, Vater, bitte! Und ich … ich könnte auch für Euch kochen!«
Jaime schüttelte unwirsch den Kopf und schwang sich auf sein Pferd. Raschid folgte ihm, klopfte dem Hengst auf den Hals und sah dann zu Jaime auf. »Den Grund kann ich mir denken, ja, und ich sehe auch, wie es in dir brodelt, aber trotzdem muss ich dir sagen, dass man in einer solchen Stimmung schnell Entscheidungen trifft, die man später bereut. Überstürze nichts, du weißt, dass du immer auf mich zählen kannst! Ich habe dir vor vielen Jahren, als wir noch gemeinsam für Boabdil gekämpft haben, gesagt, dass du wie ein Bruder für mich bist, und daran wird sich niemals etwas ändern. Sag mir, wenn ich etwas für dich tun kann – und wenn du auch nur jemanden brauchst, der dir zuhört.«
Jaime rang einen Moment um Fassung. Dann nickte er langsam und presste ein »Danke!« hervor, doch statt die Zügel aufzunehmen, fasste er nach Raschids Unterarm, der noch immer auf dem Pferdehals lag. »Es gibt allerdings etwas, worum ich dich bitten möchte: Pass auf Zahra auf – und auf Abdu. Du weißt so gut wie ich, in welche Gefahr sie sich und letztlich euch alle mit ihrem Verhalten bringen, aber auf mich wollen sie nicht hören. Ich habe sogar das Gefühl, je mehr ich sage, desto mehr versucht Zahra, den Unwillen der Kirche auf sich zu ziehen. Deswegen denke ich, es ist besser, ich halte mich von ihr fern, bevor sie sich noch ganz und gar ins Unglück stürzt, nur um mir zu beweisen, wie grausam und gewalttätig ›wir‹ Christen sind. In ihrem Kopf werde ich doch täglich mehr eins mit der katholischen Kirche und der Inquisition!«
»Da kann ich dir leider nicht widersprechen«, knurrte Raschid. »Natürlich werde ich versuchen, mit ihr zu reden; und du – tu auch du nichts Unvernünftiges!«
Jaime nickte und trieb sein Pferd an.
In den nächsten Tagen kam Jaime noch nicht einmal auf die Farm, um seine Kinder zu sehen. Mohammed war noch zu klein, um seine Abwesenheit beklagen zu können; die drei Älteren aber registrierten sie sehr wohl – und nahmen sie keineswegs einfach hin. Abdarrahman bedrängte seine Mutter, sich nicht seinetwegen mit seinem Vater zu überwerfen. »Ihr wisst, dass meine Entscheidung, keinen Fuß mehr in eine Kirche zu setzen und nicht mehr mit … mit ihm zu reden, einzig mit Adilah zu tun hat, und ich erwarte keinesfalls, dass Ihr mich dabei unterstützt oder Partei für mich ergreift! Dies ist meine persönliche Rechnung, die ich mit den Christen und Vater offen habe, und ich bete täglich, dass ich die Christen eines Tages für das, was sie Adilah angetan haben, bezahlen lassen kann!«
Yayah umschlich seine Mutter mal mit flehendem, mal mit besorgtem, schließlich mit dunkel umwölktem Blick, und Chalida hielt ihrer Mutter ebenso lautstark
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