Das Geheimnis der Maurin
Zainab, half Zahra auf – und im gleichen Augenblick regte sich Ibrahim. Er tastete seinen Kopf ab, sah das Blut an seiner Hand.
»Komm, schnell, schnell«, schrie Zainab und versuchte, Zahra mit sich zu ziehen, doch Zahra sackte erneut in sich zusammen und flehte Zainab an, dass sie endlich allein weglaufen solle. »Lauf, so lauf doch!«
Da stürmte Shihab in den Raum. Auf einen Blick erfasste er die Situation, sprang über Zahra hinweg und der aufheulenden Zainab hinterher. Schon hatte er sie am Arm gepackt und zurückgerissen, ohrfeigte sie mehrmals und warf sie dann neben Zahra zu Boden.
Inzwischen hatte sich Ibrahim wieder hochgerappelt. »Das werdet Ihr mir büßen!«, keuchte er. »Freut Euch, wenn ich wiederkomme!«
Er verpasste Zahra, deren Körper ihn daran hinderte, die Tür zu schließen, einen Tritt, der sie zurück ins Zimmer beförderte, stieß Shihab aus dem Raum und donnerte die Tür zu. Während er den Schlüssel herumdrehte, hörten die Frauen Ibrahim brüllen: »Wartet nur, bis ich den Christen und Zahras Tochter hier habe! Wartet nur!« – und dann heulte Shihab auf. Anscheinend hatte Ibrahim ihn geschlagen, wohl, weil er ihm erst so spät zu Hilfe gekommen war.
XII.
Granada
10 . August 1492
J etzt red schon, verdammt!« Raschid trat noch einen Schritt auf den Schmuckhändler zu und musste an sich halten, ihn nicht am Kragen zu packen und durchzuschütteln, aber noch hielt er es für ratsam, es wenigstens einigermaßen im Guten zu versuchen. Er zwang sich, eine etwas freundlichere Miene aufzusetzen, zog seine Geldkatze unter der Tunika hervor und entnahm ihr einen kleinen Lederbeutel. Er ließ die Goldstücke auf seine Hand gleiten und hielt sie dem Schmuckhändler unter die Nase. »All das gehört dir, wenn du mir verrätst, von wem du das Schmuckstück bekommen hast!«
»Aber das habe ich Euch doch schon gesagt, Sayyidi!«, jammerte der hagere Kerl und starrte mit unverhohlener Gier auf das Gold. »Der Mann war mittelgroß, kräftig gebaut und trug eine türkisfarbene Djellaba, und die verdammte Kapuze war so tief ins Gesicht gezogen, dass ich nichts weiter von ihm sehen konnte. Aber es war einer von uns, kein Christ, ganz sicher nicht!« Er hob die Hand und näherte sie dem Gold, woraufhin Raschid das Gold rasch wieder verschwinden ließ – denn diesen Satz wiederholte der Händler schon zum zehnten Mal, und Raschid war davon überzeugt, dass er mehr wusste. Das Schmuckstück, das Zahra seinerzeit als einen Anhänger ihrer Mutter wiedererkannt hatte, war mittlerweile nicht mehr das einzige, das jener von ihren Sachen zugespielt bekommen hatte. Auch den Siegelring ihres Vaters hatte der Händler besessen, es ihm es allerdings nicht mitgeteilt, sondern den Ring anderweitig und überdies zu einem unangemessen niedrigen Preis angeboten. Das war in Raschids Augen Beweis genug, dass der Händler den Ring als Diebesgut erkannt hatte. Vermutlich hatte der Mann, der dem Schmuckhändler ihre Wertsachen zuspielte, diesem noch mehr dieser Stücke versprochen. Ein Freund Raschids hatte den Siegelring bei dem Händler entdeckt und sofort als den von Raschids Vater wiedererkannt.
Raschid atmete mit einem langen Seufzer aus. »Hassan, das erste Mal hast du dir den Kerl vielleicht nicht richtig angesehen, aber das zweite Mal garantiert! Außerdem wusstest du, wie viel mir daran liegt herauszufinden, wer er ist, und jetzt erzähl mir nicht, du wusstest nicht, dass dieses Schmuckstück zu unseren Sachen gehörte. Ich hatte dir diesen Ring bis ins letzte Detail beschrieben. Dass du ihn dermaßen unter Preis verscherbeln wolltest, spricht ja wohl für sich!«
Als der Mann immer noch den Unschuldigen mimte, eine zutiefst bedauernde Miene aufsetzte und theatralisch die Schultern hob, riss Raschid die Geduld: Er hob die Faust und donnerte sie dem Händler mitten ins Gesicht. Das Blut des Mannes spritzte ihm auf Tunika und Wange, und sein Schmerzensschrei gellte so laut, dass Raschid befürchtete, der halbe Suq liefe sogleich in dieser gammligen Verkaufsbude zusammen, aber niemand kam. Da der Kerl noch immer nicht reden wollte, schlug Raschid ein zweites Mal zu. Nach so vielen Tagen vergeblicher Suche lagen die Nerven blank. Er packte den Kerl am Kragen und zischte: »Du redest jetzt, verdammt! Der Scheißkerl, der uns damals überfallen hat, ist wahrscheinlich der gleiche, der jetzt meine beiden Schwestern entführt hat, und wer weiß, ob er nicht auch am Verschwinden meines Schwagers Schuld trägt.
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