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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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gebeugt war, dessen Fell er gerade fachmännisch wie ein Jäger abzog. Er arbeitete mit seinen Metallinstrumenten, Messern, mit denen man ein Haar hätte spalten können, so scharf waren sie geschliffen.
    »Was macht Ihr da?«, fragte Anna und sah ihm zu, wie er einen Schnitt im Bauchfleisch ansetzte.
    »Ich will hinter ein Geheimnis kommen, das mich schon lange beschäftigt«, sagte er. »Das Geheimnis des Blutes, verstehst du? Wo es im Körper entsteht und wie es herumgeführt wird.«
    »Und dazu benutzt Ihr einen Hasen, Meister?«
    »Notgedrungen, liebe Anna, notgedrungen«, antwortete er seufzend. Er hatte nun das Innere des Tieres freigelegt, aus dessen Eingeweiden es dampfte, weil es noch warm war. »Das, was ich hier tue, nennt man Sektion. Ich war in Florenz zugegen, als Kollegen von mir dieses Verfahren an einer menschlichen Leiche durchgeführt haben, einem hingerichteten Meuchelmörder. Wie die Diebe in der Nacht, heimlich und unter großen Sicherheitsvorkehrungen, mussten wir die Sektion machen. Die Kirche verbietet Experimente an Leichen auf das Strengste. Wenn man uns erwischt hätte, wären wir auf dem Scheiterhaufen gelandet. Das ist auch der Grund, warum ich meine kleinen Forschungen hier an einem Hasen mache. Aber es geht mir ums Prinzip, und einige körperliche Abläufe und die Anordnung von Organen sind sich bei Mensch und Tier sehr ähnlich, so dass ich daraus meine Rückschlüsse ziehen kann, ohne Gefahr zu laufen, zum Ergötzen des Pöbels in Flammen aufzugehen.«
    »Aber wenn man einen Toten aufschneidet und ihm Organe entfernt – wie will dieser Tote am Jüngsten Tag wieder unversehrt auferstehen?«
    »Richtig, sehr richtig, Anna. Das sagt die Kirche. Aber ich frage dich: Wie will man verstehen lernen, wie der Mensch in seinem Inneren gebaut ist und was in seinem Körper vor sich geht, wenn man ihn nicht nach seinem Tode aufschneiden und studieren darf?«
    Darauf wusste Anna keine Antwort.
    »Siehst du, Anna«, sagte er, »diese Frage kann dir auch der Erzbischof nicht beantworten. Und deshalb bin ich gezwungen, mich mit einem Feldhasen zu behelfen. Ich mache das nicht, um die Kreatur zu töten, sondern um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Das ist ein Unterschied.«
    Er zeigte auf den aufgeschnittenen Hasen.
    »Jetzt sag mir eins: Wo siehst du die vier Körpersäfte, die für Gesundheit und Krankheit zuständig sind?«
    »Die Lehrmeinung dazu bezieht sich auf den Menschen. Nicht auf Tiere.«
    Der Medicus war jetzt ganz in seinem Element. »Das ist ein Tier, da hast du natürlich recht. Du kannst aber nicht leugnen, dass Tiere auch aus Fleisch und Blut sind, sich verletzen können oder zuweilen von Krankheiten befallen werden, oder etwa nicht?«
    »Ja, natürlich.«
    »Und was siehst du hier?«
    »Blut.«
    »Blut. Genau. Keine gelbe oder schwarze Galle, keinen Schleim, also keinen dieser Körpersäfte, richtig?«
    Anna nickte.
    Der Medicus fuhr fort, indem er mit seinem scharfen Messer jeweils auf Teile des Hasen deutete. »Und hier sind die Organe. Herz, Lunge, Nieren, Darm. Hat der Mensch das nicht auch alles, ähnlich angeordnet, wenn auch teilweise in anderer Form und Größe?«
    »Sicher. Aber ein Tier hat keine Seele.«
    »Das ist die gängige Lehrmeinung. Aber darüber will ich mit dir nicht streiten. Tatsache ist, dass dieser Hase Blut hat wie wir, Organe hat wie wir, Knochen hat wie wir. Und ich will wissen, wie und warum sich das Blut im Körper bewegt.«
    »Es bewegt sich?«
    Er nahm ihre Hand und führte ihren Zeigefinger an seinen Hals.
    »Fühlst du, wie es sich bewegt?«
    »Ich spüre Euer Herz schlagen.«
    »Ja. Es pumpt das Blut durch den Körper. Und das spürst du. Immer wieder. Den ganzen Tag lang. Und wenn du schläfst. Dein ganzes Leben lang. Bis du stirbst. Dann hört es auf zu schlagen. Hast du das schon bei einem Toten gespürt?«
    »Nein.«
    »Was sagt Galenos, der berühmte griechische Medicus mit der Viersäftelehre, auf den sich heute noch alle Ärzte berufen?« Er klopfte auf einen Folianten, den er auf einem Lesepult neben dem Tisch liegen hatte. »Er behauptet, dass die Ausgewogenheit der Säfte gleichbedeutend mit der Gesundheit des Menschen ist und Krankheiten durch Störungen dieser Ausgewogenheit entstehen. Jedem dieser Säfte wird ein Organ zugeordnet, das den betreffenden Saft speichern, umwandeln oder erzeugen kann.«
    »So habe ich es gelernt.«
    »Alle glauben ihm, seit Hunderten von Jahren. Aber ich bin davon überzeugt, dass es nicht

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