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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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stimmt.«
    »Und Ihr denkt, Ihr könnt das Gegenteil beweisen?«
    »Nicht das Gegenteil. Das, was richtig ist. Das ist ein großer Unterschied.«
    Er kritzelte etwas in sein dickes Buch, das vollgeschrieben war mit Notizen und Zeichnungen und das neben dem Folianten in griechischer Sprache lag.
    Er blickte zu Anna hoch und fragte: »Warum fließt Blut aus einer Wunde?«
    Anna dachte nach, dann sagte sie: »Es ist wie in einem Weinschlauch. Wenn ich ein Loch hineinschneide, kommt der Wein heraus.«
    »Völlig richtig. Und warum? Wenn du den Schlauch mit dem Loch nach oben hältst, hört der Wein auf, herauszufließen. Hältst du einen Arm nach oben, der eine Verletzung aufweist, hört er nicht auf zu bluten. Warum? Weil das Blut unter Druck steht. Sieh dir meine Destillationsapparatur an. Wenn ich Feuer unter dem Kessel mache, entsteht Druck, und wenn ich ein Loch in eine Leitung bohre, entweicht Dampf. Genauso geschieht das meiner Meinung nach im menschlichen Körper.«
    »Und was verursacht den Druck?«
    Er tippte auf seine Brust. »Das Herz. Es drückt das Blut durch den Körper.«
    »Aber … wenn das so ist – und es klingt logisch – warum weiß das niemand?«
    »Weil wir den menschlichen Körper noch nicht kennen, das Zusammenspiel von Muskeln, Knochen, Blut, Sehnen, Organen noch nicht erforscht haben. Erst wenn wir wissen, was im Körper geschieht, können wir Krankheiten im Inneren erfassen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Vor allem dann, wenn wir nicht mal nachsehen dürfen, was uns im Innersten zusammenhält und uns leben, laufen, essen, trinken, verdauen, denken lässt.«
    Aaron schwieg und sah sie an, mit vor Begeisterung und Entdeckerlust glühenden Augen.
    »Wisst Ihr, dass Ihr mir manchmal unheimlich seid, Meister?«
    »Lass dir eines sagen, Anna«, ermahnte er sie. »Nur die menschliche Neugier bringt uns weiter in diesem Leben. Nicht das sture Beharren auf Althergebrachtem! ›So haben wir es immer schon gemacht und nur so ist es richtig‹; ›Alles andere und Neue ist des Teufels‹ – gibt es etwas Schlimmeres als dieses Argument? Wie viele Krankheiten könnten wir verhindern oder heilen, wenn wir nur die Möglichkeit hätten, das zu erforschen, was uns noch unbekannt ist. Wie viel Leid könnten wir lindern, Anna, wie viel Leid!«
    Als Anna wieder im Bett lag, dachte sie noch lange über die Worte des Medicus nach und beschloss, niemals aufzuhören, alles in Frage zu stellen und ihren Verstand und ihre Sinne offen zu halten für Neues. Sie bewunderte ihren Medicus. Seine Leidenschaft für die Forschung und die Wissenschaften hatte sie angesteckt. Gleichzeitig befürchtete sie, dass sie nie so klug und scharfsinnig und voller Wissen sein würde wie er. Aber was hatte er noch zu ihr gesagt, als sie ihm von dieser Sorge erzählte, kurz bevor er sie in ihre Schlafkammer schickte? »Es ist eine Schande für einen Lehrer, wenn sein Schüler ihn eines Tages nicht an Wissen und Können übertrifft.« Und dabei hatte er gelächelt.

XIII
    S pät in der Nacht wachte Anna auf, weil sie glaubte, ein Pferd sei auf den Hof geritten und sie habe Geräusche im Haus gehört. Als sie jedoch lauschte und alles ruhig blieb, war sie überzeugt, geträumt zu haben, und dämmerte wieder weg. Aber beim zweiten Rumpeln schreckte sie endgültig hoch. Irgendetwas stimmte nicht. In ihrem leichten Schlafhemd, die Decke um die Schultern gezogen, stand sie auf und wollte gerade zur Tür, als diese mit einem Ruck aufgerissen wurde und eine aufgelöste Esther mit einer Kerze in der Hand hereinkam, verschlafen und mit Haaren, die nach allen Richtungen abstanden.
    »Anna, zieh dich rasch an. Wir haben einen Notfall. Aaron braucht deine Hilfe. Stell jetzt keine Fragen, dazu haben wir keine Zeit. Aaron sagt, es ist sehr dringend.«
    Anna zog im Nu ihre Tunika über den Kopf und darüber den dunklen Kapuzenumhang. Esther wartete, bis sie fertig war, und ging dann voraus, um zu leuchten.
    Die Geräusche, die Anna gehört hatte, kamen aus dem Laboratorium, wo ein nervöser Aaron in seiner Instrumentensammlung herumkramte. Rebecca leuchtete ihm. Nicht Benötigtes warf er achtlos beiseite und bestückte einen zweiten Ranzen mit allem, was er für mitnehmenswert hielt. Der andere Ranzen lag wie immer griffbereit neben der Tür und war mit allem ausgestattet, was bei einem Notfall zum Einsatz kommen konnte.
    Ohne aufzusehen, weil er noch Leinenverbände und das seltsam geformte Horchrohr in den Ranzen stopfte, sagte Aaron:

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