Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
mit frischem Gebäck aus dem Ofen
geholt, es ist noch köstlich warm. Oder wenn Sie richtig Hunger haben, wäre vielleicht ein belegtes Brötchen das Richtige, die Auswahl ist groß. Sie können auch beides haben.«
Holly konnte Jocelyn davon überzeugen, dass Tee und Gebäck vollkommen ausreichten, aber als beides auf dem Tisch stand, war klar, dass sie mit einer besonders großen Portion verwöhnt wurde. Jocelyn nahm ihr gegenüber Platz.
»Ich muss mal einen Moment die Beine hochlegen. Lisa kommt solange allein zurecht.«
»Eine hübsche Teestube. Sie haben sich viel Mühe gegeben.«
»Es ist nicht allein mein Verdienst. Das Lokal gehörte vorher meiner Schwester Beatrice. Nachdem ich Harry verlassen hatte, hat sie mir netterweise hier Arbeit gegeben, von der Wohnung im oberen Stockwerk gar nicht zu reden. Im Laufe der Zeit wurden wir Geschäftspartner, und als sie vor sechs Jahren starb, Gott sei ihrer Seele gnädig, hat ihre Tochter Lisa ihren Anteil übernommen und jetzt führen wir den Laden gemeinsam. Ich fühle mich hier wohl. Wenn’s nach mir ginge, würde ich bis zu meinem Lebensende in der Teestube arbeiten.«
»Ist Ihr Sohn auch an dem Familienunternehmen beteiligt?«
»Paul? Oh nein«, lachte Jocelyn. Der Gedanke amüsierte sie offensichtlich. »Er ist bei der Armee. Ich glaube nicht, dass er sich ein Schürzchen umbinden möchte.«
»Sie sind sicher sehr stolz auf ihn.«
»Oh, ja. Natürlich. Er hat sich tapfer allein durchgeschlagen,
es hätte schlimmer kommen können.« Jocelyns Blick verdüsterte sich, als hätte die Vergangenheit einen Schatten darauf geworfen.
»Schlimmer? Inwiefern?«
Jocelyn machte eine wegwerfende Handbewegung, als wollte sie die Schatten verscheuchen. »Ach nichts. Er hatte es nicht leicht, das ist alles. Sein Vater war ein Tyrann. Paul seinem Einfluss zu entziehen, war das einzig Richtige.«
»Es tut mir leid, dass Sie so schlechte Erinnerungen an unser Haus haben.«
»Machen Sie sich keine Sorgen um mich, das ist alles lange her. Ihr Leben dort steht unter einem besseren Stern, da bin ich mir sicher.«
»Glauben Sie wirklich?«, fragte Holly, der die unheimliche Vision noch in den Knochen steckte.
»Ich weiß es«, versicherte Jocelyn mit einem Lächeln, das Holly Sicherheit gab und sie nicht an ihrer Zukunft zweifeln ließ. »Und wie kommt Billy mit der Arbeit am Atelier voran?«
»Das wissen Sie nicht? Ich dachte, er hält das ganze Dorf auf dem Laufenden?«
»Er kann eine fürchterliche Klatschbase sein«, bestätigte Jocelyn. »Aber bei mir nimmt er sich in Acht. Ich würde ihm die Ohren langziehen, wenn ich ihn dabei erwische. Verstehen Sie mich nicht falsch. Von mir aus kann er tratschen, so viel er will, nur stimmt leider die Hälfte nicht, weil er selber pausenlos quasselt, statt zuzuhören.«
Jocelyn und Holly amüsierten sich noch eine Weile auf Billys Kosten, bevor Jocelyn sich wieder an die Arbeit machen musste, um den nachmittäglichen Ansturm zu
bewältigen. Hollys Ansinnen, ihren Tee zu bezahlen, stieß bei Jocelyn auf taube Ohren, und einer Frau wie ihr widersprach man besser nicht.
»Tausend Dank, Jocelyn. Sie haben mir richtig gutgetan. Schauen Sie doch einfach wieder bei mir vorbei. Ich will mich gerne revanchieren.«
»Fühlen Sie sich bloß zu nichts verpflichtet. Ich will Ihnen nicht Ihre Zeit stehlen, wo sie jetzt mit Ihrer Skulptur beschäftigt sind«, erwiderte Jocelyn, obwohl ihr sehnsüchtiger Blick Holly vielmehr beschwor, keinen Rückzieher zu machen.
»Ich bestehe darauf.«
Jocelyn strahlte. »Ich habe jedes zweite Wochenende frei und noch keine Pläne gemacht. Wie wäre es also nächste Woche mit einem Sonntagsfrühstück?«
»Abgemacht. Da kann ich mich endlich mal auf was anderes freuen als auf Toms Rückkehr.«
Es dauerte nicht lange, bis Hollys Neugier siegte. Schon am nächsten Morgen lagen der säuberlich vorbereitete Skizzenblock und die Stifte einsam und verlassen auf dem Küchentisch. Holly hatte ihren dampfenden Kaffee mit in Toms Arbeitszimmer genommen und wartete ungeduldig, dass sein Computer zum Leben erwachte. Sie war durchaus nicht technikfeindlich, aber der virtuellen Welt des Internets konnte sie nicht viel abgewinnen. Eine Welt, die sie mit allen Sinnen erfahren konnte, war ihr lieber. Doch was sein musste, musste sein, und vielleicht schaffte das Internet ja, woran die Bibliothek gescheitert war.
Sorgfältig gab sie den Namen der Mondgöttin in die
Suchmaschine ein und war augenblicklich mit
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