Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
einer Fülle von Links konfrontiert, die teils in einer Sackgasse endeten, teils keine verwertbaren Erkenntnisse lieferten. Erst als sie auch den Namen Charles Hardmonton eingab, traf sie ins Schwarze. Sie war auf die Seite einer Forschungseinrichtung gestossen, die nicht nur über weitere Details zu Lord Hardmontons letzter Expedition Auskunft gab, sondern auch die Gründe enthüllte, warum er in Ungnade gefallen war. Gründe, die zu seiner Zeit als Verleumdung gegolten hätten und deshalb in keinem Buch zu finden waren.
Lord Hardmontons letzte Forschungsreise hatte tatsächlich das Ziel gehabt, den Tempel der Coyolxauhqui in Zentralmexiko zu finden. Er hatte seine eigenen Vorstellungen von Forschung, und diese Vorstellungen hatten zu einer massiven Auseinandersetzung mit seinen Kollegen geführt und, was noch mehr ins Gewicht fiel, mit seinen Geldgebern im heimatlichen England. Als man schließlich den Tempel der Mondgöttin entdeckt hatte, wollte Lord Hardmonton ihn an Ort und Stelle restaurieren und vor dem Verfall bewahren, aber seine Geldgeber verlangten, dass er die Gegenstände aus dem Tempel entfernte und nach England verschiffte. Unter Androhung von juristischen Konsequenzen musste sich Lord Hardmonton widerwillig der Plünderung der Anlage fügen.
Unwillkürlich empfand Holly Bewunderung für diesen Mann, aber seine Abenteuer ergaben keinen Zusammenhang mit der Monduhr. Seufzend scrollte sie auf der Seite weiter nach unten. Als Lord Hardmonton nach London zurückkehrte, flammte der Streit erneut auf. Obwohl es eine sorgfältige Auflistung der Ladung gab, war eins der
Fundstücke während der Überfahrt verschwunden. Trotz seines guten Rufes fiel der Verdacht auf Lord Hardmonton. Das fehlende Stück wurde nie gefunden, und er war fortan auch nicht mehr in der Lage, die nötige Finanzhilfe für weitere Forschungsreisen aufzutreiben. Für den Rest seines Lebens lebte er zurückgezogen in Hardmonton Hall.
»Wieder eine Niete«, dachte Holly, nippte an ihrem Kaffee und starrte auf den Bildschirm. Eine Verbindung zwischen dem verschwundenen Tempelschatz und der Monduhr zu sehen, war reichlich gewagt, aber Holly wollte noch nicht aufgeben. Sie versuchte es mit einer anderen Wortkombination und erweiterte den Suchbegriff um das Wort »Inventarliste«. Zu ihrer Überraschung führte bereits der erste Link zu einer aktuellen Fotokopie des Originals der Inventarliste. Das vermisste Objekt war angekreuzt und wurde als Mondstein bezeichnet, außerdem gab es eine Fußnote mit einer ausführlicheren Beschreibung. Es handelte sich um einen Kultstein aus einem nicht näher bezeichneten grauen Quarz. Der Stein bildete das Zentrum des Tempels, und man vermutete, dass es sich um den sagenhaften Mondstein handelte, der der Verehrung der Mondgöttin Coyolxauhqui diente. Außerdem handelte es sich wahrscheinlich nicht um einen Opferstein, sondern eher um einen Gegenstand, mit dessen Hilfe Visionen erzeugt werden konnten.
Holly machte eine hastige Bewegung, um den Computer auszuschalten, wobei sich ihr Kaffee über die Tastatur ergoss. Sie hatte genug gelesen. Sie betrachtete das Chaos, das sie angerichtet hatte, der Kaffee tropfte von der Tastatur
und bahnte sich bereits einen Weg zu Toms Unterlagen. Schnell sprang sie auf und stürzte in die Küche, um einen Lappen zu holen. Sie schnappte ein Tuch von der Spüle, doch bevor sie ins Arbeitszimmer zurücklief, warf sie noch einen kurzen Blick aus dem Fenster und erstarrte. Ihr Blick fiel direkt auf die Monduhr.
Bisher hatte sie sich geweigert, einen direkten Zusammenhang zwischen der Monduhr und ihrer Vision zu sehen, außer der Tatsache, dass ihr Kopf auf dem Stein aufgeschlagen war. Aber inzwischen hatte sie nicht nur mehr über die Geschichte der Monduhr herausgefunden, sie glaubte auch, dass sie etwas mit ihrem Blick in die Zukunft zu tun hatte.
Der verschüttete Kaffee musste von allein trocknen. Holly war damit beschäftigt, sich selbst davon zu überzeugen, dass sie voreilige Schlüsse zog, sehr unwahrscheinliche noch dazu. Ihre Zukunftsvision war nichts weiter als eine Halluzination, das musste sie sich nur immer wieder vor Augen halten.
Der Mai verging wie im Flug, nachdem Holly sich zu regelmäßiger Arbeit gezwungen hatte. Billy hatte das Atelier in Rekordzeit fertiggestellt, so dass sie die Vormittage dort in Ruhe mit der Ausarbeitung des Entwurfs für Mrs Bronsons Skulptur verbringen konnte. Die Nachmittage hielt sie sich für die Hausarbeit frei, und
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