Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
abends setzte sie sich an die Entwurfsskizzen für den von Sam gewünschten Nachschub oder sie telefonierte mit Tom. Hin und wieder machte sie auch einen kleinen Ausflug ins Dorf.
Der Brunch mit Jocelyn war ein voller Erfolg. Holly
erfuhr immer mehr über die Geschichte des Dorfes, wobei Jocelyn nie auch nur ein Wort über ihre Zeit in dem alten Torhaus verlor. Auch die anderen Dorfbewohner ließen sich nichts über Jocelyns Vergangenheit entlocken, so dass Hollys Neugier trotz aller Bemühungen unbefriedigt blieb.
Holly hatte ebenfalls ihre Ausweichmanöver und vermied, mit Jocelyn über die Monduhr zu sprechen. Seit sie die Geschichte des Mondsteins kannte, war sie noch fester entschlossen, ihre Vision für eine Sinnestäuschung zu halten. Je weiter der blaue Fleck im Gesicht verblasste, umso mehr war sie davon überzeugt.
Holly befreite sich von den letzten Schatten ihres verstörenden Alptraums. Sie löschte das Bild von Toms leerem Blick, wie er durch sie hindurchgesehen hatten; tilgte die Vision des Torhauses mit seinem angebauten Wintergarten und verbannte das Chaos eines Hauses aus ihrem Gedächtnis, in dem ein Säugling, aber keine Mutter wohnte. Nur das Bild des Babys blieb unangetastet, und wenn sie sich Libbys Engelsgesicht vorstellte, kribbelten ihre Finger, und sie spürte wieder die weiche Haut des Kindes.
Kein Wunder, dass Hollys Gedanken ständig ums Kinderkriegen kreisten, zumal sie jetzt intensiv an Mrs Bronsons Skulptur arbeitete. Nachts, wenn sie die Augen geschlossen hatte, sah sie Libby vor sich, und sie durchlebte wieder jenen Augenblick, als eine innige Verbindung zwischen ihnen beiden entstanden war. Allmählich konnte Holly nachvollziehen, warum Tom so versessen darauf war, Vater zu werden, und sie spürte, wie sich der Wunsch nach einem Kind leise in ihr regte; ein zaghaftes Glimmen, das weiter geschürt werden musste. Und wenn die Vision
des Babys nicht ausreichte, um den Funken in ein Feuer zu verwandeln, half ihr der Groll auf ihre eigene Mutter, die Sehnsucht nach einem komplett anderen Mutter-Kind-Verhältnis anzufachen.
»Ich habe über die Zukunft nachgedacht«, sagte Holly eines Abends, als sie eingekuschelt unter ihrer Bettdecke lag und mit Tom telefonierte. Der rosa Teddy schaukelte auf ihren Knien, und die Vorstellung, dass kleine Babyhändchen nach seinen rosa Ohren griffen, verursachte ihr einen wohligen Schauer.
»Also, was gibt’s zum Frühstück?«, neckte Tom.
»Ich habe ein bisschen weiter gedacht, als bis dahin. Die nächsten fünf Jahre vielleicht, was meinst du?« Holly hielt die Luft an und wartete auf Toms Triumphgeschrei.
»Oh«, sagte er.
»Also, ein bisschen mehr Begeisterung bitte.« Holly war ein wenig enttäuscht. »Ich wollte nämlich sagen, dass ich bereit bin, die Planung eines Babys in Erwägung zu ziehen. Und dann kriege ich so eine Antwort!«
Es herrschte Stille, und Holly wurde von einer seltsamen Furcht befallen.
»Hast du jemand anders?«, stieß sie hervor.
»Spinnst du? Natürlich nicht!« Tom klang ehrlich empört. »Wie kannst du so etwas nur denken. Sieh mal, ich weiß, wie schwer es für dich ist, und deshalb bin ich so was von froh, dass du ein Kind haben willst. Ich bin richtig glücklich, dass du eine Familie gründen willst, ein Haus voller Kinder, ich liebe dich einfach!«
»Nun mal langsam«, unterbrach ihn Holly. »Lass uns erst mal ein Kind planen, ja?«
»Ich weiß, ich weiß. Es handelt sich um einen Fünfjahresplan, bla, bla, bla.«
»Wo liegt also das Problem? Warum springst du nicht vor Begeisterung an die Decke?« Holly zog eine Schnute wie ein bockiges Kind, obwohl Tom sie gar nicht sehen konnte.
»Der Sender will mich sprechen, sobald ich wieder in London bin.«
»Und warum?« Holly missfiel sein Unterton. Sie wusste, dass er sich immer noch Sorgen um seinen Arbeitsplatz machte, aber er tat ja schon alles, was man von ihm verlangte; mehr war einfach nicht möglich.
»Die Umstrukturierung hat nichts gebracht. Es sind Fusionen geplant und weitere Einsparungen.«
»Aber das ist doch nicht möglich, die schicken dich doch jetzt schon von Pontius zu Pilatus. Noch mehr können sie dir doch wirklich nicht zumuten. Oder?« Holly stiegen die Tränen in die Augen. Sie hatte sich so auf diesen Augenblick gefreut, wenn sie Tom sagen konnte, dass sie sich ein Kind wünschte. Es lief nicht wie geplant, und der euphorische Höhepunkt, den Holly sich erträumt hatte, war verpufft.
Sie hatte Tom eigentlich erst in zwei Wochen
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