Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
Körper.
»Fehlt dir was?«, fragte Holly besorgt.
»Nein, nein, nichts. Es ist mir eben nur kalt über den Rücken gelaufen.« Und wieder warf sie einen verstohlenen Blick zum Fenster. »Entschuldige, Holly, aber es fällt mir schwer, über diesen Teil meiner Vergangenheit zu sprechen.«
»Nein, ich müsste mich entschuldigen. Es war mir nicht klar, was für eine schreckliche Zeit du in diesem Haus verbracht hast. Verzeih mir.«
»Sei nicht traurig, Holly, sieh nach vorne. Gib deine Träume noch nicht auf.«
Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Holly nicht an ihre Träume, sondern an ihre Alpträume. »Vielleicht sollte ich meine Wünsche noch einmal überdenken«, sagte sie. »Aber Schluss jetzt mit dem Trübsinnblasen. Die Törtchen essen sich nicht von allein.«
»Belgische Pralinen? Du fährst für sechs Wochen nach Belgien, und dir fällt nichts Besseres ein als belgische Pralinen?« , brummte Holly verschlafen. Sie war aus dem Schlaf hochgeschreckt, als Tom wie ein ungestümer Welpe aufs Bett gesprungen war, um seine Rückkehr zu vermelden. Es war halb drei Uhr morgens.
»Aber sieh dir mal die Verpackung an«, protestierte Tom lautstark, um sicherzugehen, dass Holly richtig wach war. Holly zwinkerte gegen das grelle Deckenlicht, das Tom angemacht hatte. Ihr Herz hämmerte, teils vor Schreck über die nächtliche Störung, teils aus Freude, dass Tom wieder da war. Sie musterte die rote Pralinenschachtel. »Aber sie ist ja gar nicht verpackt«, maulte sie.
Tom knöpfte sein Hemd ein Stück auf und steckte die Schachtel hinein. »Besser?« Er kniete über Holly, so dass sie sich nicht rühren konnte, beugte sich vor und küsste sie auf die Nasenspitze.
»Du stinkst«, neckte sie ihn. »Wie wenn ich eine Knoblauchzehe schäle.«
»Nur zu, Mrs Corrigan.«
Sie küsste ihn, zuerst zaghaft, dann immer leiderschaftlicher. Sie verscheuchte die Schatten der Vergangenheit und vor allem die der Zukunft. Was sie brauchte, war die Gegenwart. Und die Gegenwart war Tom.
Die Pralinenschachtel verschwand unter einem Berg zerwühlter Laken und hastig abgeworfener Kleidungsstücke. »Du hast mir schrecklich gefehlt«, flüsterte sie, als sie in seinen Armen lag. Sie griff ihm in sein widerspenstiges Haar und zog seinen Kopf hoch, um ihm in die Augen zu sehen. Es waren dieselben Augen, in die sie während ihres nächtlichen Alptraums geblickt hatte, nur dass sie jetzt grünlich schimmerten, ohne jede Spur von Trauer, die den Mann, der ihrem kranken Hirn entsprungen war, gequält hatte. Aber Holly konnte beim besten Willen dieses Bild von Tom nicht vergessen, das sich in ihrem Kopf eingenistet hatte. Die Angst vor der Zukunft, die Holly fast verdrängt hatte, erwachte wieder zum Leben und verunsicherte sie. Wenn sie nun wirklich eine Vision gehabt hatte? Wenn die Monduhr ihr tatsächlich die Zukunft gezeigt hatte?
Tom runzelte die Stirn, als er Hollys Anflug von Kummer bemerkte. »Du bist bestimmt sauer auf mich«, sagte er. »Erst verpflanze ich dich aufs Land, und dann lasse ich dich hier allein. Ich bin ein miserabler Ehemann.«
»Du bist der beste Ehemann aller Zeiten. Ich kann von Glück sagen, dass ich so geliebt werde, vergiss das nicht.« Holly schlang die Arme fest um Tom und unterdrückte die Tränen und die Zweifel. Hellwach und ganz in der Gegenwart angekommen, stutzte Holly plötzlich. Sie schob
Tom ein Stück von sich weg, so dass sie ihm in die Augen sehen konnte. »Moment mal, wieso bist du eigentlich hier? Wolltest du nicht über Nacht in London bleiben, um morgen für die Machtprobe mit dem Sender fit zu sein? Was ist los?«
Tom seufzte und schloss die Augen. Er beugte sich vor und legte den Kopf auf Hollys, als würde das Gewicht der ganzen Welt auf ihm lasten.
»Was Schlimmes, oder?«, sagte Holly, der das Herz bis zum Hals klopfte.
Tom hob den Kopf und versuchte zu lächeln. Holly schwante nichts Gutes. »Einen Job habe ich noch, das heißt, ich werde einen neuen bekommen«, sagte er, aber Holly spürte, dass er die Sache beschönigen wollte.
»Sag schon«, verlangte sie leise.
»Peter Richards geht Ende des Jahres in den Ruhestand, und ich bin als Nachfolger vorgesehen.«
»Als Nachrichtensprecher? Du sollst die Nachrichten moderieren?« Holly hätte beinahe gelacht, halb vor Erleichterung, halb bei der komischen Vorstellung, dass Tom geschniegelt und gebügelt im Anzug hinter einem Lesepult stand. »Und das nennst du eine schlechte Nachricht?«
Tom schnitt ein Gesicht. »Kannst du
Weitere Kostenlose Bücher