Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
kann sie doch mit dem Auto abholen.« Tom machte auf dem Absatz kehrt und wollte wieder ins Haus gehen.
Holly erwischte ihn am Arm. »Nein, lass das. Jocelyn wird stinksauer, wenn man sie wie einen Pflegefall behandelt. Sie ist fest davon überzeugt, dass alles eine Frage des Willens ist, und sie denkt nicht im Traum daran, einen Gang zurückzuschalten. Glaub mir, ich hab’s schon probiert.«
»Ach, du meine Güte, noch eine eiserne Lady. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich zum Ausgleich Billy eingeladen.«
»Du hast dich in letzter Zeit mit Billy schon oft genug getroffen«, beschwerte sich Holly.
»Und du wirst, wenn ich weg bin, auch noch eine Weile
mit ihm zu tun haben.« Tom war im Begriff, im Haus zu verschwinden, doch Holly hielt ihn am Ärmel fest.
»Raus mit der Sprache«, befahl sie, ohne Rücksicht auf ihren steigenden Adrenalinspiegel. Sie wusste, was kommen würde, aber sie hatte einen neuen Talisman, um den bösen Blick der Zukunftsvision abzuwehren. Sie hatte mit Tom, wie versprochen, den Fünfjahresplan zu Papier gebracht. Tom hatte beim Schreiben neben ihr am Küchentisch gesessen, im klaren Licht des Vollmondes und im klaren Bewusstsein, dass die Monduhr um ihre Aufmerksamkeit buhlte. Der Plan besagte, dass Tom bis zum Jahresende im Ausland arbeitete; im nächsten Jahr war Baby Nummer eins geplant, im dritten Jahr sollte Toms Buch entstehen, das er schon immer hatte schreiben wollen, und im fünften Jahr vielleicht, aber nur vielleicht, Baby Nummer zwei. Fünf verplante Jahre, an deren Ende Holly immer noch bei Tom war. Dort stand es, schwarz auf weiß, und nirgendwo war vom Tod im Kindbett die Rede. Es war einfach nicht vorgesehen.
»Also, da wo der Tisch auf der Terrasse steht«, setzte Tom zu einer Erklärung an und zog Holly ein Stück weit in den Garten, damit sie sich seinen Plan besser vorstellen konnte. »Sagen wir, von da drüben bis direkt vor die Tür zur Küche, über die gesamte Rückfront des Hauses, vom Wohnzimmerfenster, sagen wir, bis hier.« Tom deutete voller Eifer eine Linie an, die sich von der Terrasse bis in den Garten ausdehnte. »Stell dir eine tolle Konstruktion aus Glas und Stahl vor, der perfekte Platz, um die warme Sonne zu genießen und gleichzeitig ein Dach über dem
Kopf zu haben, wenn wir abends unseren Cocktail schlürfen in unserem nagelneuen …«
»Wintergarten«, fiel Holly ihm nüchtern ins Wort. Sie brauchte sich den Wintergarten nicht vorzustellen, sie hatte ihn bereits mit eigenen Augen gesehen.
»Was hältst du davon?«
Holly hätte Tom das Projekt am liebsten ausgeredet, aber angesichts seiner kindlichen Begeisterung konnte sie unmöglich Nein sagen. Das bedeutete ja nicht, dass ihre Vision Wirklichkeit werden musste, wofür Holly umgehend sorgte. »Eine hübsche Idee, aber ich hätte noch einen Vorschlag zu machen«, fügte sie hinzu.
»Nur zu, du bist schließlich die Künstlerin in der Familie.«
»Ich weiß nicht, an welcher Stelle du die Tür vorgesehen hast, mir würde sie an der Vorderseite gefallen. Nur für den Fall, dass du sie an der Seite, gleich neben der Küche, geplant hast …« Holly hielt die Luft an. Sie wusste sehr wohl, dass die Türen in ihrer Vision dort gewesen waren, und es war, um ehrlich zu sein, der vernünftigste Platz. Aber praktische Erwägungen waren zweitrangig, wenn sie beweisen wollte, dass die Zukunft, die sie gesehen hatte, eine Einbildung war und bleiben würde. Wenn ihre Fantasie ihr einen Streich spielte, war sie um Rache nicht verlegen.
»Dann müsste man ja außen herum laufen, um auf die Terrasse vor der Küche zu gelangen«, gab Tom zu bedenken.
»Du hast doch gesagt, dass ich die Künstlerin bin. Glaub mir, das macht sich besser. So entsteht eine durchgehende
Flucht vom Wohnzimmer durch den Wintergarten bis in den Garten dahinter.«
Das Argument klang so einleuchtend, dass Holly beinahe selber daran glaubte. Und Tom blieb keine Gelegenheit mehr, weitere Fragen zu stellen, weil es in diesem Augenblick an der Haustür klingelte. Jocelyn war eingetroffen.
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass hier mal jemand anders gewohnt hat«, sagte Tom nachdenklich. Mit seinem journalistischen Geschick hatte er Jocelyn fast so viele Informationen entlockt wie Holly, dabei kannte er sie erst seit einer knappen Stunde.
»Und ich kann mir kaum vorstellen, dass du hier wohnst, Tom«, stichelte Holly, die es nicht lassen konnte, ihn zu necken.
Von der Sonne geblendet schielte Tom mit einem gekränkten
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