Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
erklärte Tom.
Jocelyn atmete sichtlich auf. »Die Uhr funktioniert nicht, hat sie auch früher nicht. Aber als Landeplatz für die Vögel macht der Stein sich doch gut.«
»Bisher hat sich noch kein Vogel daraufgesetzt«, meinte Holly, mehr zu sich selbst, als ihr plötzlich bewusst wurde, wie seltsam es war, dass in der Nähe der Monduhr nie Vögel zu sehen waren.
»Und, was wissen wir noch alles über die Monduhr?« Tom richtete einen argwöhnischen Blick auf Holly.
»Wie meinst du das?«, stammelte sie verwirrt.
Tom wandte sich an Jocelyn. »Meine Frau hat sich nämlich selber schlau gemacht. Ich warte schon seit geraumer Zeit, dass sie mir die undurchsichtige Geschichte der Monduhr enthüllt, doch bisher hat sie mir ihre Erkenntnisse vorenthalten. Sie hat sich nicht einmal dafür
entschuldigt, dass sie meinen Computer mit Kaffee bekleckert hat.«
Tom drehte sich wieder zu Holly um. Sie stand da, mit offenem Mund, außerstande, die richtigen Worte zu finden, um von diesem entschieden unbehaglichen Gespräch abzulenken.
»Du hast den Monitor ausgeschaltet, aber den Computer nicht heruntergefahren.«
»Ich wollte wissen, woher die Monduhr stammt«, gab sie zu. »Das mit dem Kaffee tut mir leid.«
»Was hast du denn herausgefunden?«, erkundigte sich Jocelyn vorsichtig.
»Im 19. Jahrhundert gab es einen Lord Hardmonton, der Forschungsreisender war. Er hat in Mexiko einen sogenannten Mondstein ausgegraben, der aber während der Verschiffung nach England abhandengekommen ist. Ich könnte mir denken, dass er selber den Stein behalten und die Monduhr daraus gemacht hat.«
Jocelyn wirkte unbeeindruckt. Wenn sie mehr über die Monduhr wusste, dachte Holly, ließ sie sich nichts anmerken.
»Nicht nur das«, ergänzte Tom eifrig, um seine eigenen Recherchen beizutragen. »Dem Stein wird nachgesagt, dass er Visionen auslösen kann. Ich habe Hinweise darauf gefunden, dass die Azteken diese Visionen für Blicke in die Zukunft gehalten haben. Aber ich persönlich glaube eher, dass es sich um Halluzinationen handelt, die durch Drogen ausgelöst wurden. Immerhin sehe ich die Monduhr jetzt in einem anderen Licht.«
Tom fuhr mit den Fingern über die eingemeißelte
Schrift am Rand der Uhr. »Ich habe mich geirrt«, sagte er zu den beiden, die aschfahl und wie versteinert vor ihm standen. »Das Ganze soll heißen: Reflexion ist der Schlüssel zur Zeitreise.«
Sie schwiegen alle drei, das Einzige, was Holly hörte, war das Hämmern ihres Herzens.
»Alles dummes Zeug«, schnaubte Jocelyn und brach den Bann.
»Da haben Sie wahrscheinlich recht«, meinte Tom. »Denn wenn die Uhr damals funktioniert hätte, hätte Lord Hardmonton wissen müssen, dass die elektrischen Leitungen, die er hatte verlegen lassen, das Herrenhaus irgendwann einmal in Schutt und Asche legen würden.«
Holly durchfuhr es selber wie ein Stromschlag, Sterne tanzten ihr vor den Augen. Sie glaubte, in Ohnmacht zu fallen, so dass sie allen guten Vorsätzen zum Trotz Halt an der Monduhr suchte. Der Stein fühlte sich kalt an, und Holly spürte ein kaum wahrnehmbares Kribbeln zwischen ihrer Handfläche und dem Stein. Als die Sinnestäuschung verschwand, suchte sie Jocelyns Blick, doch Jocelyn starrte auf die Uhr und wich ihrem Blick aus.
»Vielleicht verrät mir dieses Ding, ob meine Frau heute Abend das Essen anbrennen lässt?«, versuchte Tom zu scherzen.
»Wasser und Brot ist alles, was Ihnen zusteht, junger Mann, bis Sie den Garten in Ordnung gebracht haben«, schalt ihn Jocelyn. »Die Brennnesseln zerstechen mir schon die Waden.«
Erst als Gelächter den Garten erfüllte, hatte Holly das Gefühl, dass die Monduhr sie losließ.
»Wer möchte noch eine Tasse Tee?«, rief sie, als Tom den beiden Frauen den Weg auf die sichere Terrasse bahnte.
Tom sah seiner Abreise entspannter entgegen als beim letzten Mal. Nachdem er Jocelyns Bekanntschaft gemacht hatte, ließ er Holly leichteren Herzens in ihrer neuen Umgebung allein.
»Die Zeitverschiebung ist diesmal ziemlich groß«, warnte er Holly, während er seine Kleidung in den Koffer stopfte, um in aller Frühe aufbrechen zu können. Sie waren im Schlafzimmer, durch das offene Fenster wehten die milde Abendluft und der süße Duft des Geißblatts herein, das sich aus dem verwilderten Garten bis über die Rückseite des Hauses ausgebreitet hatte. »Wir können wahrscheinlich nur einmal am Tag telefonieren.«
»Ohne Ausnahmen«, drohte Holly. Sie beugte sich über den geöffneten Koffer, zog die
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