Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
abziehen zu lassen, als Tom auftauchte. »Na, alles klar?«, erkundigte er sich.
Holly war nahe daran, ihn anzuschreien, dass er verschwinden solle, doch er griff nach ihrer Flasche Wein und schenkte ihr ein Glas ein.
»Sieht aus, als könntest du ein Gläschen gebrauchen.«
»Lieber nicht«, meinte sie. »Andererseits kommt es auf ein Glas mehr oder weniger auch nicht mehr an. Alles, was schieflaufen kann, ist sowieso schon schiefgelaufen.«
»Es riecht köstlich.« Tom strahlte, wobei er vermied, Holly in die Augen oder auf die Rauchwolken zu sehen, die aus dem Ofen quollen.
»Du bist ein unverschämter Lügner, aber du bist ein Schatz. Sind alle zufrieden da drin?«
»Die kochen fast über vor Begeisterung. Wenn du mir den kleinen Wortwitz gestattest.« Holly schlug mit dem Geschirrtuch nach ihm, bevor sie ihn ausreden ließ. »Jocelyn
und meine Mutter plaudern wie zwei alte Freundinnen.«
Holly kippte den Wein herunter und hielt Tom das leere Glas zum Nachfüllen hin. Tom hob die Flasche hoch, um Holly zu zeigen, dass sie leer war.
Sie machte mit dem Kopf eine Bewegung in Richtung Kühlschrank. »Da ist noch mehr drin.«
»Wie lange dauert es noch bis zum Essen?«, erkundigte Tom sich vorsichtig. Wahrscheinlich rechnete er gerade aus, ob sie das Essen noch auf den Tisch bringen konnte, bevor sie völlig betrunken war.
»Nach meiner Berechnung war es vor einer halben Stunde fertig. Jetzt ist es verkocht und angebrannt.«
»Wenigstens brauchen wir hier keinen Platz zu schaffen und können im Wintergarten essen«, bemerkte Tom mit einem Blick auf den Küchentisch, wo kein einziger Zentimeter mehr frei war.
Holly atmete tief durch, um einen klaren Gedanken zu fassen. »Ach, ich geb’s auf. Du kannst mir helfen, die ganze Chose auf den Tisch zu bringen. Meinst du, ich sollte lieber noch eine Pizza in den Ofen schieben? Nur für alle Fälle.«
»Ach was, es ist sicher wunderbar.«
Der Geruch von frischer Farbe im Wintergarten wurde schnell vom Duft verkochten Gemüses mit einem Stich ins Angebrannte überlagert. Es war erst früher Nachmittag, doch es begann bereits zu dämmern. Die gedämpfte Beleuchtung ließ das Essen sogar einigermaßen appetitlich aussehen, wie Holly feststellte. Sie hatten sich in der Teestube einen langen Tisch geliehen, um alle unterzubringen.
»Lecker.« Jocelyn schob lächelnd die erste Portion von Hollys Kochkünsten in den Mund. Holly hörte es deutlich krachen, als Jocelyn auf eine Bratkartoffel biss.
»Köstlich«, bestätigte Diane.
»Schmeckt ähnlich wie bei Diane«, steuerte Jack bei. Diane warf ihrem Mann einen strafenden Blick zu. »Früher, meine ich«, stellte er klar.
»Du meinst, Mum konnte am Anfang eurer Ehe auch nicht kochen?« Tom lachte, aber ein Blick auf Holly ließ ihn verstummen.
»Es schmeckt scheußlich, stimmt’s?« Holly kippte einen großen Schluck Wein herunter, um den bitteren Nachgeschmack und ihre Enttäuschung hinunterzuspülen.
Ein Chor von Beteuerungen und Schmeicheleien erhob sich, und alle griffen wie auf Kommando zu und füllten ihre Teller.
»Ich bin froh, wieder daheim zu sein. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich auf zu Hause gefreut habe«, sagte Tom.
»Du hast uns auch gefehlt.« Holly blickte Tom an, aber aus den Augenwinkeln sah sie in den Garten. Die fahle Silhouette der Monduhr leuchtete im Zwielicht unter ihrem weißen Tuch wie ein allgegenwärtiges Gespenst.
Holly nippte am Wein und hörte aufmerksam zu, als Tom von seinem Aufenthalt in Haiti erzählte. Die Erfahrungen dort hatten ihn gezeichnet, es würde lange dauern, bis er sie verarbeitet hatte, wenn überhaupt. Umso sicherer war Holly, dass es richtig war, Tom im Augenblick nichts von der Monduhr zu sagen.
»Es ist furchtbar, wenn man sieht, wie viele Menschenleben,
ja ganze Ortschaften auf einen Schlag ausgelöscht wurden«, wandte er sich an Jocelyn.
»Niemand kann sich seines Lebens sicher sein«, sagte Holly traurig.
Jocelyn warf Holly einen warnenden Blick zu, sagte aber nichts.
»Dieses Hähnchen hat sicher auch nicht gewusst, was ihm blüht«, sagte Jack und lachte über seinen Scherz, bis ihn seine Frau in die Seite boxte.
»Der Wintergarten ist wunderhübsch«, bemerkte Diane, um der Unterhaltung eine unverfänglichere Wendung zu geben.
»Ja, Billy hat das sehr schön gemacht«, pflichtete Jocelyn ihr bei.
»Der Entwurf stammt von uns beiden«, sagte Tom voller Stolz. »Hauptsächlich von Billy, muss ich dazu sagen, und dann hat
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