Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
Vater werde.« Er wiegte mit wachsender Begeisterung die Puppe in seinem Arm.
»Mal sehen«, flüsterte Holly, die sich verzweifelt auf ihre Skizze konzentrierte, um nicht die alkoholisierte Diskussion wieder aufkommen zu lassen, die sie bei dem verunglückten Sonntagsessen gerade noch hatte vermeiden können.
»Was ist los mit dir, Hol? Beim letzten Mal warst du so erpicht darauf, eine Familie zu gründen. Und jetzt weichst du mir immer aus, wenn ich davon anfange.« Tom hatte seine Stellung nicht verändert, so dass er sie nicht sehen konnte, aber er spürte, dass sie bedrückt war.
»Und wenn wir keine Kinder kriegen können?«
»Warum sollten wir denn keine Kinder kriegen können? Ich bin doch der geborenen Babymacher, sieh mal her.« Tom ließ die nicht vorhandenen Muskeln an seinem dürren Arm spielen, um seiner Behauptung Nachdruck zu verleihen.
»Würde unsere Beziehung zerbrechen, wenn wir keine kriegen?« Hollys Frage hallte im Atelier nach. Die Fotos schaukelten traurig in einem unsichtbaren Luftzug und machten sich mit ihrer heiteren Zuversicht über sie lustig. Was würde sie darum geben, wenn sie die Antwort auf die Frage, die sie immer noch umtrieb, wüsste. Warum konnte die Monduhr ihr nicht endlich versprechen, dass sie Mutter werden und ihre Kinder aufwachsen sehen konnte? Vor Hollys innerem Auge liefen Regentropfen an einer Fensterscheibe herunter. Jeder Tropfen stand für ein ungeborenes Kind, und alle bahnten sich den gleichen Weg nach unten. Gab es denn keinen Ausweg? Musste sie ein Leben lang ihren Tribut an die Monduhr entrichten?
Tom ließ die Arme sinken und sah sie an. »Uns beide kann nichts trennen, Hol, das schwöre ich dir. Aber davon ist doch gar nicht die Rede. Es sei denn, du hast deine Meinung geändert. Also, willst du nun Kinder haben oder nicht?«
»Ja, natürlich. Aber …«, stotterte sie. In diesem Augenblick ging die Tür auf, kalte Luft fuhr herein.
»Oh. Störe ich?« Billy erschien in der Tür und hielt sich bei dem Anblick, der sich ihm bot, die Augen zu.
»Keine Sorge, Billy. Sie können die Augen ruhig aufmachen«, sagte Holly und wischte sich vorsichtshalber
die Augenwinkel, bevor sich ein paar Tränen bemerkbar machten.
»Ist er unter dem Tuch etwa nackt?«
»Seien Sie froh, er könnte auch ohne Tuch dastehen«, lachte Holly, als sie Billys empörte Miene sah.
»Das wäre ja noch schöner«, protestierte Tom, der versuchte, ein bisschen Muskeln zu zeigen und gleichzeitig die Puppe im Arm zu balancieren.
Holly und Billy betrachteten Tom, dessen Haltung alles andere als männlich wirkte. »Ich finde, Sie sollten sich in Zukunft ein passenderes Modell aussuchen«, schlug Billy vor.
»Wir Männer sollten eigentlich zusammenhalten«, meinte Tom entrüstet.
Holly hatte Sorge, dass die kindische Diskussion kein Ende nehmen würde. »Also, Leute, ich muss weiterarbeiten. Billy, Sie lenken mein Modell ab. Was führt Sie überhaupt her?«
»Ich wollte nur mal vorbeischauen«, sagte Billy verlegen.
»Und was ist das für eine Papierrolle da unter Ihrem Arm?«
»Das hier? Ach, nur Entwürfe für einen Auftrag, an dem ich gerade arbeite. Keine große Sache weiter.«
»Geben Sie her.« Holly klang wie eine Mutter, die ihrem Kind eine Strafpredigt hält, und musste innerlich lachen.
Billy sah sich hilfesuchend nach Tom um, der sich offenbar ebenso unbehaglich fühlte.
»Der Plan für die Umgestaltung des Gartens, oder?« Die beiden Männer rührten sich nicht.
»Könnte man so sagen«, meinte Billy schließlich. »Oder auch nicht.« Er sah Tom hilflos an.
»Oh, mir fällt gerade ein, dass ich beim Sender anrufen muss.« Tom ließ das Tuch fallen und warf die bedauernswerte Puppe in hohem Bogen auf die Werkbank.
Nur mit seinen Boxershorts bekleidet hastete er zur Tür. Billy wollte ihm folgen, aber Holly hielt ihn fest. »Nicht doch«, sagte sie. »Ihretwegen stehe ich jetzt ohne Modell da, es hilft nichts, Sie müssen einspringen.«
»Ich?«, stotterte Billy.
»Tut mit leid, Bill«, sagte Tom, nahm ihm den Plan ab und verschwand durch die Tür.
»Wussten Sie nicht, dass ich schon immer auf Ihren Körper scharf war?«, zwinkerte Holly Billy schadenfroh zu.
Es blieben ihnen nur zwei Wochen, und Holly versuchte diese kurze Zeit nicht mit Gedanken an die Zukunft zu belasten. Das Leben musste in der Gegenwart gelebt werden. Toms nächste Reise sollte sein letzter Auftrag sein, er führte ihn nach Südamerika, wo er eine Reportage über Kinder drehen
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