Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
Küsse im Rosengarten der Herrin Aliénor. Aber verheiratet wurden sie mit den Männern, die ihren Vätern genehm waren. Sie mochten uralt sein oder blutjung, hässlich oder gar bösartig. Gerlin hätte es viel schlimmer treffen können. Der junge Dietrich schien doch zumindest von ansprechender Gestalt und freundlichem Wesen zu sein. Und wer wusste es schon - vielleicht wuchs er ja wirklich zu der Lichtgestalt aus Gerlins Träumen heran und verzichtete darauf, seine ältere Gattin dann gegen eine jüngere Schönheit einzutauschen, wie es König Heinrich mit der Herrin Aliénor getan hatte.
Gerlin jedenfalls rüstete sich für die Reise, desgleichen der aufgeregte Rüdiger. Zumindest seine Träume gingen in Erfüllung. Er würde weitaus früher zum Ritter geschlagen werden, als er sich ersehnt hatte. Gerlin hoffte, dass sein Waffenmeister ihn wenigstens ausreichend darauf vorbereitet hatte. Es wäre mehr als peinlich, wenn die Lauensteiner Knappen den Falkenberger Erben demnächst mehrmals täglich vom Pferd tjosteten!
Gerlin berichtete der Herrin Aliénor von ihrer bevorstehenden Hochzeit, und wider Erwarten antwortete die englische Königin postwendend mit einem herzlichen Brief, dem ein kostbares Geschenk beilag. Eleonore von Aquitanien sandte ihr ein Medaillon mit einer Miniatur - ihr Bildnis und ihr Namenszug, eingefasst in Gold - an einer goldenen Kette.
Ich habe dieses Schmuckstück dereinst für Eure Mutter anfertigen lassen, als ich hörte, sie sei schwer erkrankt. Wir waren gute Freundinnen, und ich hoffte, der Gruß von mir und mein Bildnis würden ihr Trost spenden. Leider starb sie, bevor ich es absenden konnte. Es würde mich freuen, wenn Ihr es jetzt an ihrer Stelle über dem Herzen trüget, schrieb sie.
Gerlin war gerührt und erfreut und legte das Schmuckstück gleich an. Ihre Aussteuer bestand fast nur aus Kleidern und Stoffen, die noch ihre Mutter mit nach Falkenberg gebracht hatte. Gerlin selbst hatte kaum etwas angeschafft. Allerdings traf kurz nach ihrer Zusage eine Truhe ein, gefüllt mit edelsten Seidenstoffen und Brokat aus Al Andalus, feinstem Linnen und Damast, dazu goldfädendurchwirkte Gürtel mit goldenen Schließen und aufgenähten Halbedelsteinen. Das Schreiben dazu stammte von Salomon von Kronach. Es sei ihm eine Ehre, der künftigen Braut seines Schützlings Dietrich ein paar bescheidene Stoffproben aus dem Fernhandel seines Bruders Jakob zusenden zu dürfen. Ein Teil davon möge sich für die Erstellung eines Hochzeitsgewandes eignen.
Gerlin war hingerissen von einem blauen, durchscheinenden, zarten Damast und machte sich sofort daran, ein Kleid daraus zu schneidern. Vielleicht nicht gleich für die Hochzeit, aber doch für ihr erstes Zusammentreffen mit ihrem künftigen jungen Gatten.
Peregrin von Falkenberg plagten andere Sorgen. Er stand vor dem Problem, seiner Tochter und seinem Sohn eine standesgemäße Eskorte zuzuweisen, aber tatsächlich verfügte seine Burg über nur wenige Ritter.
Falkenberg lag am Rande der Oberpfalz, das Lehen war bescheiden, warf aber genug ab, dass sie davon leben konnten. Mit seinen Nachbarn lebte Peregrin in Frieden, desgleichen sein Pfalzgraf. Er hatte nie Lehnspflichten von Peregrin eingefordert. Insofern sah der Burgherr keine Notwendigkeit, mehr Ritter als nötig durchzufüttern, und für Fahrende Ritter war die Burg auch wenig attraktiv, da der Dienst bei Herrn Peregrin kaum Aufstiegschancen bot. Wo keine Kriege geführt wurden und keine Fehden anstanden, waren keine Lehen zu erwerben - ja, es gab hier nicht mal Turniere zu bestreiten, in deren Verlauf man vielleicht interessantere Herren auf sich aufmerksam machen konnte.
Folglich hielt Peregrin seine Burg mit einer kleinen Stammbelegschaft von älteren Rittern, die jede Hoffnung auf Ruhm längst aufgegeben hatten. Ohne Land konnten sie keine standesgemäßen Ehen eingehen, aber die meisten hielten sich ein Liebchen unter den Hausmädchen oder den Bauerntöchtern im Dorf, die gegen kleine, aber regelmäßige Aufmerksamkeiten aus Küche und Keller der Burg klaglos ihre Kinder zur Welt brachten und großzogen. Verständlich, dass kaum einer dieser Ritter Lust hatte, seinen sicheren Platz auf Falkenberg und seine Familie für eine untergeordnete Stellung im Dienst der Lauensteiner aufzugeben. Gerlin war nicht sehr erbaut von dem Aufgebot, mit dem ihr Vater sie schließlich konfrontierte.
»Kind, ich kann dir nicht mehr als zwei Ritter mitgeben«, meinte er bedauernd. »Aber ich trenne
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