Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
Abt des Klosters seinen Besuch an. Gerlin empfing ihn dunkel gekleidet und verschleiert im größten ihrer Räume.
»Ich bin gekommen, um Euch im Auftrag des Königs mitzuteilen, dass Ihr weggebracht werdet«, erklärte der Mönch nach ein paar freundlichen Begrüßungsworten. »Der König wird sich in die Krondomäne zurückziehen, und Ihr werdet ihn begleiten.«
Die Krondomäne bezeichnete das französische Kernland rund um Orleans - das einzige Gebiet, auf dem Philipp II. wirklich unangefochten herrschte. Was das restliche Frankreich anging, so schlug er sich nicht nur mit den Plantagenets, sondern auch mit mächtigen französischen Feudalherren herum.
»Warum das denn so plötzlich?«, wunderte sich Gerlin. »Ich denke, er sucht die Schlacht mit Richard.«
»Wohl nicht so dringend«, bemerkte der Abt, wobei ein verschmitztes Lächeln über sein rundes Gesicht zog. »Oder zumindest nicht jetzt und hier. Uns - und zweifellos auch seiner Majestät - ist zu Ohren gekommen, dass König Richards Verbündeter, der Prinz von Navarra, die Belagerung der Festung Loches abgebrochen hat und nach Spanien zurückkehrt.«
»Loches?« Gerlin merkte auf, als der Name der Festung fiel. »Loches wird belagert?«
Die Burg von Loches - Linhardt von Ornemündes Lehen, ihr eigentliches Ziel und nun eine weitere umkämpfte Festung. Wobei ein Verbündeter von Richard Löwenherz der Belagerer zu sein schien! Dietrichs Onkel musste die Burg also verloren haben. Wo um Himmels willen war er jetzt? Bei König Richards Heer? Oder lag er gefangen im Kerker seiner eigenen Festung?
»Loches wird eben nicht mehr belagert«, wiederholte der Abt geduldig. »Der Vater des Herrn Sancho - Gott habe ihn selig! - ist plötzlich verschieden. Der Prinz muss die Angelegenheiten in seinem eigenen Reich ordnen. König Richard hat sich daraufhin auf den Weg nach Loches gemacht, um den Kampf selbst fortzuführen. Und dabei muss er durch das Vendômois, was seiner Majestät König Philipp ... nun, etwas despektierlich gesagt ... hm ... kalte Füße bereitet.«
Gerlin fiel es schwer, sich zu konzentrieren - das Schicksal Linhardt von Ornemündes beschäftigte sie mehr als der Abzug der Franzosen aus Vendôme. Dennoch entnahm sie den weiteren Ausführungen des Abtes, dass König Philipp offensichtlich in großer Eile aufbrach. Er plante, seinem Heer mit einem Trupp Rittern vorauszureiten, wobei er natürlich das königliche Archiv mit sich zu führen gedachte, sowie seine wertvollen Geiseln Gerlin und Dietmar.
»Den Wagen sollt Ihr hierlassen«, bestellte der Abt, »desgleichen Eure Dienerschaft. Die kann sich dem Heer anschließen und dann in Orleans wieder zu Euch stoßen.«
Gerlin runzelte die Stirn. »Und mein Sohn?«, erkundigte sie sich. »Wie gedenkt der Herr das Kind zu transportieren?«
Der Abt zuckte die Achseln. »Darüber hat König Philipp wohl nicht allzu lange nachgedacht«, meinte er dann. »Aber Ihr könnt den Kleinen doch sicher vor Euch in den Sattel nehmen. Oder Ihr überlasst ihn einem der Ritter. Auf jeden Fall soll es schnell vorwärtsgehen, der König wird sich hier sicher nicht auf die Mitnahme eines weiteren Wagens einlassen. Und es ist ja auch nicht allzu weit.«
Gerlin gefiel das alles nicht, aber sie machte sich reisefertig. Die Truhe des Königs hatte wertvolle, aber auch warme Kleidung enthalten. Unter anderem fand sich ein schwerer, weiter Mantel, der sowohl sie als auch das Kind bei schlechtem Wetter vor dem Regen schützen würde. Zurzeit schien allerdings die Sonne, und die Wege trockneten zusehends. Wenn es den König wirklich eilte, konnten sie in nur einem Tag die Grenzen zur Krondomäne überschreiten.
Kapitel 5
F lorís de Trillon hatte seine Verletzungen auskuriert. Der junge Ritter war gen Frankreich aufgebrochen, kaum dass ihm der Bruder Krankenpfleger auch nur halbwegs die Genehmigung gab, das Bett zu verlassen. Er hoffte, Gerlin und Salomon auf dem Weg nach Loches noch einzuholen, und verbrachte täglich viele Stunden im Sattel, obwohl seine Wunden noch schmerzten und nässten. Manchmal fiel er am Abend wie betäubt vor Schmerz und Erschöpfung vom Pferd, unfähig, auch nur ein Feuer anzufachen, um sich bei Nacht zu wärmen oder seine Wunden neu zu verbinden.
Zum Glück erwies sich der kompakte braune Hengst, den Gerlin und Salomon für ihn im Kloster zurückgelassen hatten, als ein sehr zuverlässiges Pferd. Für ein Streitross hatte es recht weiche Bewegungen und nutzte es auch nicht aus, dass Florís
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