Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
sich manchmal nur am Sattel festklammerte, statt wirklich zu reiten. Wäre die Straße stärker befahren gewesen, wäre der geschwächte Ritter aber sicher aufgefallen und vielleicht auch zum Opfer eines Hinterhalts geworden. Tatsächlich erwies sich der direkte Weg nach Tours jedoch als genauso wenig bevölkert wie die Strecke über Reims, die Salomon und Gerlin mit der Gesellschaft des Herrn Martinus genommen hatten.
Im Laufe des Rittes ging es Florís dann besser, der Ritter war schließlich jung und von robuster Gesundheit. Zu seiner Erleichterung entzündeten sich die Wunden nicht erneut, sondern heilten zu, und Florís kam immer schneller vorwärts. Dafür quälten ihn jetzt andere Sorgen. Er fragte sich ernstlich, warum er Gerlin und Salomon bislang nicht getroffen hatte. Eine größere Reisegesellschaft brauchte immer erheblich länger für einen Weg als ein einzelner Reiter, eigentlich hätte er seine Freunde einholen müssen. Aber natürlich lenkte Florís die Schritte seines Pferdes nicht nach Paris. Er umging sogar Tours, als er merkte, dass die gesamte Umgebung von französischen Truppen wimmelte. Die Ritter und Fußsoldaten lieferten sich ein Scharmützel nach dem anderen mit den treuen Lehnsleuten der Plantagenets, die nicht willig waren, ihre Burgen an Philipp II. auszuliefern. Florís dachte kurz daran, die Besitztümer des Linhardt von Ornemünde zu suchen und sich zu ihrer Verteidigung zur Verfügung zu stellen, aber dann hörte er, dass Richard Löwenherz in der Normandie gelandet war.
Florís de Trillon konnte nicht widerstehen. Er bewunderte den englischen König seit langem und hatte schon als Jüngling von seinen Heldentaten vor Akkon und im Kampf gegen den Sultan Saladin gehört. Die Möglichkeit, nun an der Seite seines Vorbilds zu kämpfen, würde er sich nicht entgehen lassen!
Richard Löwenherz hatte den Kanal mit einem relativ kleinen Heer überquert, wusste er doch, dass er auf Verbündete in allen Teilen seines alten Reiches zählen dürfte. Mit seinem ersten Aufgebot und den neu angeworbenen Rittern zog er jetzt zügig in Richtung Rouen, wobei er den Franzosen eine Burg nach der anderen entriss. Bei Wellebou traf dann auch Florís auf seine Truppen und wurde zu seiner Überraschung sofort zum König vorgelassen. Richard Plantagenet wünschte neue Ritter persönlich kennenzulernen, bevor er ihnen womöglich wichtige Aufgaben in seinem Heer übertrug.
Florís' Herz klopfte heftig, als er das Zelt des jungen Königs betrat, aber seine Unsicherheit erwies sich sehr schnell als müßig. Richard hatte soeben den Belagerungsring um eine weitere Burg gesprengt und sich der Treue seines Lehnsmanns versichert. Nun war er bester Stimmung und hieß seinen neuen Gefolgsmann herzlich willkommen. Der König war von angenehmem Äußeren und einnehmendem Wesen. Er war mittelgroß, hatte dunkelblondes, lockiges Haar, das er kürzer trug als die meisten Ritter, und einen vollen, aber kurz gestutzten Bart. Seine Augen waren forschend, aber freundlich. Florís war überrascht, als er ihn in der alten Sprache Aquitaniens ansprach.
»Ich bin höchst erfreut, einen Landsmann meiner Mutter unter meinen Rittern begrüßen zu dürfen. Zu gern gedenke ich noch der Sonne Aquitaniens und der unbeschwerten Zeit als Regent ihres Landes. Es wird mich freuen, mich darüber mit Euch auszutauschen.«
Florís verneigte sich und gab den Gruß artig zurück. »Sehr viel mehr Worte in der Sprache der Troubadoure werdet Ihr mir allerdings nicht entlocken«, gab er dann aber gleich lächelnd zu. »Es ist wahr, ich bin aus dem Süden und dem Hof der Herrin Aliénor treu ergeben. Aber ich schwinge das Schwert weit besser, als ich die Laute schlage. Solltet Ihr also einen Sänger suchen, der Euch nächtens unterhält, so muss ich Euch enttäuschen. Ihr werdet jedoch keinen treueren und mutigeren Kämpfer für Eure Sache finden.«
König Richard stand auf und reichte Florís die Hand zum Kuss, hob ihn auf und umarmte ihn, als er vor ihm niederkniete. »Ich bin glücklich, einen weiteren tapferen und ehrlichen Mann in meine Ritterschaft aufnehmen zu können. Aber nun sagt mir, wo Ihr bisher gekämpft habt, Herr Florís, welche Reisen Ihr unternommen habt und wer Euch einst zum Ritter schlug.«
König Richard rief seinen Mundschenk, um Florís mit Wein zu bewirten, und der Ritter berichtete von seiner Schwertleite, seinen Turniererfolgen und seiner Zeit als Waffenmeister in Lauenstein. Es hatte ihm Freude gemacht, die
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