Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
jungen Knappen in die Künste und Tugenden der Ritterschaft einzuweisen, wozu der König freundlich nickte.
»So seid Ihr es gewöhnt, Ritter zu führen. Aber kann ich Euch auch Fußtruppen unterstellen? Mancher Panzerreiter hier empfindet das als unter seiner Würde, ebenso wie die Bedienung von Belagerungsmaschinen. Aber ich habe erst kürzlich ein paar davon erbeutet, und es wäre kurzsichtig, sie nicht einzusetzen. Natürlich sprechen die Kriegsknechte nur die Sprache der deutschen Lande. Beherrscht Ihr das Idiom?«
Florís nickte. Auch auf Lauenstein hatte man deutsch gesprochen. Belagerungsmaschinen schreckten ihn ebenfalls nicht ab, er empfand sie im Gegenteil als interessant. Salomon hatte Dietrich ihren Gebrauch und Aufbau beschrieben, und der Junge hatte sie zum Zeitvertreib aus Holz nachgebaut. In voller Größe hatte Florís sie noch nicht gesehen, fühlte sich aber durchaus der Aufgabe gewachsen, die damit vertrauten Männer zu befehligen.
Der König lächelte strahlend, als er ihm dies versicherte. »Ich denke, wir werden uns gut verstehen, Herr Florís de Trillon! Ihr werdet mir helfen, mein Land zurückzuerobern!«
Florís fand einen Schlafplatz in einem der Zelte, die der König seinen Truppen zur Verfügung stellte. Es war überraschend komfortabel, auch die Verpflegung sowie die Versorgung der Pferde erwiesen sich als hervorragend organisiert. Am Morgen rief ein Marschall die Ritter zu Waffenübungen - und Florís war überrascht, auf der improvisierten Übungsbahn auch den König selbst anzutreffen.
Richard beschränkte sich nicht nur darauf, die Kämpfe zu überwachen, sondern prüfte neue Ritter persönlich. Florís tjostete er so schnell vom Pferd, dass der Aquitanier kaum den Stolz und die Freude auskosten konnte, mit dem Helden von Akkon in die Schranken zu reiten. Beim folgenden Schwertkampf bestand er dann besser, aber auch hier schlug ihm letztlich der König die Waffe aus der Hand, ohne dass er den Kampf manipulieren musste. Traditionell ließ jeder Fahrende Ritter seinen Herrn gewinnen, wenn es einmal zum spielerischen Schlagabtausch kam, aber bei Richard war das nicht nötig. Der König war ein überaus starker Kämpfer, fand dann auch noch freundliche Worte für den Unterlegenen. Er rühmte Florís' Schlagkraft und gab ihm ein paar Hinweise dazu, wie er sich weiter verbessern konnte.
Schließlich wies Richard Plantagenet Florís eine Kompanie deutscher Söldner und ihr gewaltiges hölzernes Katapult zu, das mit mehreren Maultiergespannen von einem Belagerungsort zum anderen gezogen werden musste. Der König ließ es allerdings nur selten abschießen. In diesem Krieg reichte es meist schon aus, das Ding vor den Mauern einer Festung zu platzieren, um die Verteidiger zu demoralisieren. Die französischen Burgherren und ihre Ritter hielten diese Anlagen noch nicht sehr lange und wussten auch nur zu genau, dass sie auf verlorenen Posten kämpften. Die wenigsten brachten sehr viel Heldenmut auf - in der Regel ergaben sich die Besatzungen der Burgen spätestens beim Anblick der Belagerungsmaschinen, wenn nicht gleich beim Anblick des englischen Heeres.
Florís bewunderte das Fingerspitzengefühl, das Richard im Umgang mit Menschen bewies. Keiner der Usurpatoren wurde hingerichtet, die Ritter erhielten freien Abzug oder fanden sogar Aufnahme in Richards eigener Armee. Einen verzweifelten jungen Ritter, der ihm anbot, sein schwer errungenes Lehen im Zweikampf zu verteidigen, ließ er sogar in Amt und Würden - nachdem er ihn genauso vernichtend geschlagen hatte wie ein paar Tage vorher Florís. Der König beglückwünschte den erschöpften, leicht verwundeten Mann zu seinem Heldenmut und bestätigte sein Lehen, sofern er Richard den Lehnseid schwor. In Zukunft würde er sich wohl keinen treueren Gefolgsmann wünschen können.
Florís sorgte in den nächsten Tagen nicht nur dafür, dass sein Katapult zuverlässig da war, wo Richard es haben wollte, sondern kämpfte auch tapfer an der Seite des Königs. Der Ritter verstand es zu warten, bis die richtige Zeit zum Angriff da war, ging aber keinem Zweikampf aus dem Weg, der wirklich nötig war. Er kontrollierte seine Söldner und fand nebenher noch Zeit, die jüngeren Ritter in seiner Umgebung im Auge zu behalten und zurückzubeordern, wenn sie sich zu unüberlegt in den Kampf warfen. Er schürte jedoch keine Unzufriedenheit, sondern zeigte sich großmütig genug, die Waghalsigen auch einmal glänzen zu lassen. Richard Löwenherz beobachtete
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