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Das Geheimnis der Puppe

Das Geheimnis der Puppe

Titel: Das Geheimnis der Puppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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gut.«
    Sie hob diesen jämmerlichen Menschenrest unendlich sanft ein wenig in die Höhe. Die Absätze der Halbschuhe schleiften über den rauhen Zement. Dann drehte sie sich zu den Decken hinüber und legte das Kind darauf wieder ab. Ich konnte nicht einmal schlucken, obwohl mir das Würgen die Luft abschnürte. Laura schlug eine der Decken von beiden Seiten über den mumifizierten Körper, nahm das Bündel auf die Arme und richtete sich mit einem Ächzen auf. Die alte Decke an die Brust gepreßt, schaute sie mich an.
    »Das kommt wieder in Ordnung, da bin ich ganz sicher. Sie wird gleich wieder leben. Heute morgen hat sie doch auch gelebt. Mutti hat mir soviel kaputtgemacht. Aber das nimmt sie mir nicht auch noch weg. Dazu hat sie kein Recht.«
    Mit dem Bündel im Arm ging Laura zur Luke zurück, verlangte:»Hilf mir hinaus.«
    Mir den kleinen Körper wenigstens zum Hinaussteigen zu überlassen, weigerte sie sich. Sie trug ihn in ihr Zimmer, legte ihn dort auf dem Bett ab und setzte sich daneben auf die Kante. Dann klappte sie die Decke wieder auseinander. Ich war bei der Tür stehengeblieben, schaffte jetzt erst recht keinen Schritt in das Zimmer hinein.
    »Deck es wieder zu«, bat ich. Aber Laura schüttelte den Kopf, verzog abfällig die Mundwinkel. Gleich darauf huschte ein Ausdruck von Schmerz über ihr Gesicht. Mit den Fingerspitzen strich sie sanft über eine Wange des Kindes.
    »Komm, Anna«, flüsterte sie.
    »Sei ein liebes Kind. Es ist alles gut. Ich bin doch da, und du kannst bei mir bleiben. Du kannst immer bei mir bleiben. Bei mir und Tom und Danny und Tessa, wir sind eine richtige Familie. Es hat dir doch gefallen, Anna. Es war doch so schön, zu leben.«
    Minutenlang ertrug ich es schweigend und innerlich ganz lahm. Dann rannte ich zur Treppe, stürmte in die Halle hinauf und riß den Telefonhörer von der Gabel. Kurz darauf klang mir Berts verschlafene Stimme im Ohr. Ich wußte nicht einmal mehr, daß ich seine Nummer gewählt hatte. Ich erinnere mich auch nicht, was genau ich ihm sagte. Nur das
    »Du mußt sofort herkomme.«
    ist mir noch im Gedächtnis. Bert brauchte nur eine gute halbe Stunde für die Fahrt. In der Zeit holte ich mir einen Spaten aus dem Geräteraum und ging in den Garten. Die Erde unter den Zweigen der alten Fichte war trocken, aber nicht sehr fest. Ich schaufelte wie rasend. Als ich Berts Wagen in der Einfahrt hörte, war die Grube gut einen halben Meter lang und ebenso tief. Ich lief zum Haus zurück, und zusammen mit Bert ging ich in den Keller. Laura saß unverändert auf der Bettkante und betrachtete das Bündel im grün-weiß karierten Kleid, flüsterte sinnlose Worte wie Beschwörungsformeln vor sich hin. Wie ich zuvor blieb jetzt Bert bei der Tür stehen. Er stöhnte einmal vernehmlich, murmelte:»Großer Gott.«
    Mit hängenden Schultern stand er da und schüttelte den Kopf. Aber dann kam Leben in ihn. Er ging zum Bett, griff unter Lauras Achseln und zerrte sie von der Kante hoch. Gleich darauf schlug er die Decke über das Kind. Als er sich zu Laura umdrehte, holte sie aus und schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht, gleichzeitig versetzte sie ihm mit der anderen Hand einen Stoß, der ihn zurück zur Tür taumeln ließ. Und während Bert sich noch um sein Gleichgewicht bemühte, fassungslos die Wange rieb, setzte Laura sich wieder auf die Bettkante, klappte die Decke zurück. Mit trotzigem Gesicht starrte sie uns beide an, beugte sich über das Kind und strich ihm über das Haar.
    »Er wird dich nicht wieder anfassen«, murmelte sie. Bert griff nach meinem Arm und zog mich zur Treppe.
    »Ruf deinen Vater her«, verlangte er.
    »Sie verliert den Verstand. Sie kann da nicht sitzenbleiben.«
    Aber ich wollte meinen Vater nicht rufen. Ich wollte niemanden rufen.
    »Ich habe im Garten ein kleines Grab geschaufelt«, sagte ich.
    »Ich übernehme Laura, du nimmst das Kind, und .«
    Bert schüttelte abwehrend den Kopf. Es kostete mich eine Menge Überwindung, meinen Vorschlag anders zu formulieren.
    »Gut, du kümmerst dich um Laura. Halt sie mir nur vom Leib, dann begrabe ich das Kind.«
    Die Erleichterung in Berts Gesicht war überdeutlich. Wir gingen zurück in den Keller. Doch wir hatten die Tür noch nicht erreicht, da rief Laura bereits:»Kommt mir nicht zu nahe. Ihr werdet sie mir nicht wegnehmen.«

    »Laura«, Bert wurde eindringlich, »jetzt sei vernünftig. Das Kind ist tot.«

    »Unsinn«, kam es zurück.
    »Sie schläft. Wenn sie schläft, sieht sie oft so aus.

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