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Das Geheimnis der Rose

Das Geheimnis der Rose

Titel: Das Geheimnis der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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bereits …«
    »Sei nicht zu voreilig in deinem Urteil.« murmelte Eva. »Er hat fürchterliche Qualen erlitten, und er möchte sein einziges Kind sehen. Ich weiß nicht, was er dir sagen will, aber ich bitte dich inständig, zur Versöhnung bereit zu sein.«
    Bevor sie antwortete, zögerte Julia. »Ich werde es versuchen.«
    Eva schüttelte bedauernd den Kopf. »Wenn du nur wüsstest, wie ähnlich du ihm bist. Ich glaube, dass du ihn trotz allem liebst, aber dein Stolz lässt es nicht zu, es einzugestehen.«
    »Ich liebe ihn wirklich«, gab Julia trotzig zu, »aber das macht die Vergangenheit nicht ungeschehen. Liebe hindert Menschen nicht daran, sich gegenseitig weh zu tun.«
    Beide schwiegen, während sie gemeinsam die Treppe hinaufgingen. »Möchtest du dich in deinem Zimmer frisch machen?« fragte Eva.
    »Ich besuche Vater lieber gleich«, antwortete Julia. Sie war viel zu aufgeregt, um zu warten, und ihre Anspannung wurde mit jeder Minute stärker. »Das heißt, wenn er stark genug ist.«
    Eva begleitete sie zum Krankenzimmer. »Julia«, sagte sie sanft, »du musst berücksichtigen, dass Menschen sich ändern können. Selbst dein Vater. Es ist beängstigend, dem Tod so nahe zu sein. Ich glaube, dass ihm einige Dinge aus der Vergangenheit bewusst geworden sind, die er seit Jahren zu verdrängen versucht. Bitte sei nett zu ihm und hör zu, was er dir zu sagen hat.«
    »Natürlich, Mama! Ich werde wohl kaum in sein Krankenzimmer stürmen und ihm Vorwürfe entgegen schleudern.«
    Als Eva das Zimmer betrat, blieb Julia vor der Tür stehen und wartete. Die schmale Silhouette der Mutter hob sich gegen das schwache Sonnenlicht ab, das durch die zitronengelben Vorhänge drang. Eva beugte sich über den Körper auf dem Bett, berührte das Haar des Kranken und murmelte ihm etwas ins Ohr.
    Beim Beobachten dieser Szene spürte Julia bekümmert den eigenen Mangel an Gefühlen. Ihr Herz war leer und taub, weder von Kummer noch von Wut geprägt. Sie schien nicht das geringste Gefühl für ihren Vater aufbringen zu können, und das störte sie zutiefst.
    Eva sah auf und bedeutete Julia, sie möge eintreten. Langsam schritt sie über die Schwelle und trat zu dem Bett, in dem ihr Vater im Schatten eines Chintzbaldachins lag. Und plötzlich war ein Schwall von Gefühlen da: Eine Welle von Reue und Mitgefühl überwältigte sie. Edward war immer eine imposante Erscheinung gewesen, wirkte jetzt aber klein und einsam, als er da im Bett lag, die Decken bis zu den Schultern hochgezogen. Die Robustheit, die er im Übermaß besessen hatte, war verschwunden, wodurch er unendlich viel älter wirkte. Seine Haut glänzte wächsern, nachdem der Arzt ihn erst kürzlich zur Ader gelassen hatte.
    Vorsichtig setzte Julia sich auf die Bettkante. Als sie seine Hand nahm, spürte sie, dass die Haut sich ganz leicht über den Knochen bewegen ließ. Er hatte abgenommen. In dem Wunsch, ihm irgendwie etwas von ihrer eigenen Lebenskraft zu übertragen, drückte sie seine Hand so fest, wie sie es ihrer Meinung nach wagen konnte.
    »Vater«, sagte sie leise. »Ich bin’s, Julia.«
    Einige Zeit verging, bevor sich seine blassen Wimpern hoben. Seine Augen waren strahlend und scharf wie immer, wenn er sie abschätzend ansah. Niemals hatte Julia erlebt, dass ihr Vater auch nur einen Moment lang verlegen oder unbeholfen gewesen wäre immer war er Herr der Lage gewesen. Seltsamerweise schien er jedoch ebenso unsicher zu sein wie sie, denn er suchte vergeblich nach Worten.
    »Danke«, sagte er mit erschreckend dünner Stimme. Seine Hand zuckte, und für den Bruchteil einer Sekunde fürchtete Julia, dass er sie wegziehen wollte. Stattdessen schlossen sich seine Finger fester um die ihren. Das war die größte Zuneigung, die er ihr seit Jahren gezeigt hatte.
    »Ich dachte schon, du ließest mich aus dem Haus werfen«, sagte Julia mit einem verlegenen Lächeln.
    »Ich dachte, du kämmst vielleicht nicht.« Edward seufzte, und seine Brust hob und senkte sich leicht. »Ich hätte es dir nicht verdenken können.«
    »Mama hat mir erzählt, wie krank du bist«, murmelte Julia und hielt seine Hand fest. »Ich hätte ihr und dem Arzt aber gleich sagen können, dass du viel zu stur bist, um dich von einem einfachen Fieber unterkriegen zu lassen.«
    Mühsam versuchte ihr Vater, sich im Bett aufzusetzen. Eva wollte ihm helfen, aber Julia schob ihm bereits ein Kissen in den Rücken. Edward warf seiner Frau einen rätselhaften Blick zu. »Meine Liebe … ich möchte gern

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