Das Geheimnis der Rose
erwartet.«
Logan zuckte lässig die Schultern. »Wenn ich Sie zum Bleiben zwänge, wären Sie nicht in der Verfassung, eine anständige Vorstellung zu geben.«
»Sie könnten Arlyss meine Rolle geben«, schlug Julia vor. »Sie kennt den ganzen Text. Es gibt keinen Grund, die morgige Vorstellung abzusagen.«
»Es ist Ihre Rolle. Niemand könnte sie so spielen wie Sie.«
»Danke, aber …«
Jahren Sie zu Ihrem Vater. Versuchen Sie, mit ihm Frieden zu schließen. Und kommen sie bald zurück … sonst sperre ich Ihr Gehalt.«
»Ja, Sir«, sagte Julia folgsam, obwohl sie sich von Logans vorgeblicher Herzlosigkeit nicht täuschen ließ. Sie lächelte ihn kurz und dankbar an. »Ich habe gerade gemerkt, dass Sie eigentlich doch ein netter Mensch sind. Aber keine Sorge, ich werde Ihren Ruf nicht schädigen, indem ich es herumerzähle.«
Kapitel 10
Während ihrer halbtägigen Fahrt in Logan Scotts weinrot lackierter Kutsche zum Sitz der Hargates war Julia mit sich selbst uneins, ob sie Damon hätte in Kenntnis setzen müssen, dass sie Bath verließ. Das nagende Gefühl, dass sie sich ihm hätte anvertrauen sollen, beunruhigte sie. War es falsch von ihr, dass sie seinen Trost ersehnte? Besser als jeder andere hätte Damon ihre schwierigen Gefühle ihrem Vater gegenüber verstanden.
Bei der Erinnerung an den unschönen Abschied von Damon zuckte Julia zusammen und biss dann stur die Zähne zusammen. Damon würde sie nicht trösten. Vermutlich würde er eine verächtliche Bemerkung machen und ihr sagen, dass sie ihre Last gern alleine tragen könne. Es wäre heuchlerisch von ihr, großartig von Freiheit und Unabhängigkeit zu reden und beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten zu ihm zu laufen.
Während die Kutsche und die berittenen Begleiter durch die hügelige Landschaft reisten und sich dem Gut der Hargates näherten, verwandelte sich Julias Unruhe in Furcht. Sie spürte, wie die Angst davor wuchs, was sie im Haus ihrer Kindheit vorfinden würde, Angst davor, ihren Vater krank anzutreffen, Angst davor, dass er sie, sobald er sie sähe, vom Familienbesitz verweisen würde. Wie ein Habicht saß das große Haus zwischen den Bergen, dunkel und prachtvoll mit seinen Türmen, die zum Himmel aufragten.
Der Wagen hielt vor dem Haupteingang. Zwei Lakaien halfen Julia aus der Kutsche, während andere Diener sich um die Pferde kümmerten und dem Kutscher den Weg zu den Ställen und dem Kutscherhaus zeigten. Bevor Julia die oberste Stufe erreicht hatte, öffnete sich die Tür, und der Butler stand da, um sie zu begrüßen.
Wenige Augenblicke später erschien Eva und schloss Julia wortlos in die Arme.
»Mama«, sagte Julia überrascht, während sie die Wange an das gefaltete blaue Leinenkleid der Mutter schmiegte.
Obwohl Evas Gesundheitszustand großen Schwankungen unterlag, hatte sie noch niemals so gut ausgesehen wie jetzt. Irgendwie war es ihrer Mutter gelungen, eine Stärke und eine Willenskraft aufzubringen, die sie seit Jahren nicht gezeigt hatte. Immer noch war sie viel zu dünn, aber die Knochen in ihrem Gesicht standen nicht mehr so stark hervor, und in ihren braunen Augen lag ein ruhiger Glanz. Offensichtlich tat Eva die ungewohnte Situation, von ihrem Mann gebraucht zu werden, sehr gut. Endlich einmal war er der Kranke und sie der Haushaltsvorstand.
»Ich bin froh, dass du gekommen bist«, murmelte Eva. »Ich fürchtete schon, dein Terminplan ließe keinen Besuch zu.«
»Wie steht es um ihn?« fragte Julia und ging mit ihrer Mutter durch die Eingangshalle zur Treppe. Es war, als hätte man ein Leichentuch über das Haus gebreitet. Alles war unnatürlich ruhig und still.
Eva antwortete ruhig, aber ihr Gesicht war angespannt vor Sorge. »Dein Vater hat sich vor einigen Tagen mit Fieber niedergelegt. Es war sehr schlimm. Der Arzt sagt, es habe alle seine Organe geschädigt. Wir wussten nicht, ob er überleben würde, aber jetzt scheint es, als sei das Schlimmste vorüber.«
»Wird er wieder ganz gesund?«
»Der Arzt sagt, Edward wird nie wieder derselbe sein. Einen weniger kräftigen Mann hätte das Fieber umgebracht.
Er wird einige Zeit brauchen, um wieder zu Kräften zu kommen.«
»Er wird mich nicht sehen wollen«, murmelte Julia und fühlte sich innerlich angespannt wie Geigensaiten.
»Das stimmt nicht. Er hat nach dir gefragt.«
»Warum?« fragte sie misstrauisch. »Falls er mir mitteilen möchte, dass ich mein Leben ruiniert und Schande über die Familie gebracht habe, dann weiß ich das
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