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Das Geheimnis der Rose

Das Geheimnis der Rose

Titel: Das Geheimnis der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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allein mit Julia sprechen.«
    Eva lächelte schwach. »Ich verstehe.« Mit elfengleicher Anmut ging sie aus dem Zimmer und ließ Vater und Tochter allein. Julia setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand, und sah Edward mit einem verwirrten Stirnrunzeln an. Nach all den Auseinandersetzungen und bitteren Gefühlen zwischen ihnen konnte sie sich nicht vorstellen, was er ihr erzählen wollte. »Warum geht es?« fragte sie ruhig. »Möchtest du mit mir über meinen Beruf oder über mein Privatleben sprechen?«
    »Weder noch«, sagte ihr Vater mühsam. »Über mich.« Er streckte die Hand nach einem Glas aus, und Julia schenkte frisches Wasser aus einem kleinen Porzellankrug ein., Vorsichtig trank er von der kühlen Flüssigkeit. »Ich habe dir noch nie etwas über meine Vergangenheit erzählt. Es gab… Einzelheiten über die Hargates, die ich nie erwähnt habe.«
    »Einzelheiten«, wiederholte Julia, und ihre schönen Brauen verzogen sich. Die Geschichte der Hargates war einfach und kurz. Die Familie besaß ein einigermaßen hohes Ansehen, beachtlichen Reichtum und den Ehrgeiz, jene gesellschaftliche Stellung zu erreichen, der nur durch Heirat mit noch adligerem Geblüt als dem eigenen erreicht werden konnte.
    »Ich hatte mir eingeredet, du müsstest vor der Wahrheit geschützt werden«, sagte Edward, »aber es war reine Feigheit von mir.«
    »Nein. Es gibt sicher viele Eigenschaften, die ich dir ohne weiteres zuschriebe, Vater, aber Feigheit gehört nicht dazu.«
    Edward fuhr entschlossen fort: »Es gibt Angelegenheiten, über die ich nie sprechen konnte, weil ich sie als schmerzhaft empfand … und ich habe dich dafür bestraft.« In seiner kratzigen Stimme schwang ein schmerzliches Bedauern mit, das Julia erstaunte. Es war eine – wenn auch unangenehme – Offenbarung, dass ihr Vater solcher Gefühle fähig war.
    »Welche Angelegenheiten?« fragte sie sanft. »Was möchtest du mir erzählen?«
    »Du hast nie etwas von … Anna gewusst.« Der Name schien einen bittersüßen Nachgeschmack auf seinen Lippen zu hinterlassen.
    »Wer ist sie, Vater?«
    »Sie war deine Tante … meine Schwester.«
    Julia war erstaunt. Abgesehen von zwei Onkeln, die geheiratet und sich für ein ruhiges Leben auf dem Land entschieden hatten, hatte sie nie jemanden aus der Familie ihres Vaters kennengelernt. »Weshalb hat nie jemand von ihr gesprochen? Wo ist sie jetzt, und was …«
    Edward hob die Hand, um den Fluss der Fragen zu unterbrechen. Bedächtig sprach er weiter. »Anna war meine ältere Schwester. Sie war das schönste Wesen auf Erden. Ohne Anna hätte ich die ödeste Kindheit gehabt, die man sich nur vorstellen kann. Sie erfand Spiele und Geschichten, um mich zu unterhalten … sie war mir Mutter, Schwester, Freundin … sie war …« Da ihm kein passendes Wort einfiel, schwieg er hilflos.
    Julia lauschte aufmerksam. Noch nie zuvor hatte ihr Vater so mit. ihr gesprochen. Sein Gesicht wurde weich bei den Erinnerungen, und seine stählernen Augen schimmerten verschwommen.
    »Unsere Eltern mochten beide keine Kinder«, sagte er. »Nicht einmal die eigenen. Sie hatten nur wenig mit uns zu tun, bis wir erwachsen waren, aber auch danach besaßen wir keine Bedeutung für sie. Sie legten nur Wert darauf, uns ein Gefühl für Disziplin und Pflicht mitzugeben. Ich muss sagen, ich mochte sie auch nicht. Aber ich liebte Anna … und ich wusste, dass sie der einzige Mensch auf der Welt war, der mich wirklich liebte.«
    »Wie war sie?« fragte Julia in der Pause, die entstand. Offensichtlich fiel es Edward schwer, weiterzuerzählen, und die Erinnerungen hielten ihn in ihren harten Fäden gefangen. Sein Blick wirkte zerstreut, als blicke er in weite Ferne. »Sie war wild und fantasievoll, ganz anders als meine Brüder und ich. Anna scherte sich nicht um Regeln oder Verantwortung. Sie war ein gefühlsbetontes Wesen, vollkommen unberechenbar. Unsere Eltern haben sie nie verstanden – manchmal brachte sie sie zur Verzweiflung.«
    »Was ist mit ihr geschehen?«
    »Als Anna achtzehn war, lernte sie einen ausländischen Diplomaten kennen, der an einer Botschaft in London einen Posten hatte. Anscheinend verkörperte er Annas Träume. Mein Vater lehnte den Mann ab und verbat Anna, ihn zu sehen. Natürlich rebellierte sie und nutzte jede Gelegenheit, sich fortzuschleichen und bei ihm zu sein. Sie verliebte sich so heftig, wie sie alles tat … voll und ganz gab sie sich ihm mit Körper und Seele hin. Aber sie hatte keine kluge

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