Das Geheimnis der Rose
sein Blick über ihre üppige Figur glitt. Sie trug ein meergrünes Kleid, das sich fest um ihre runden Brüste schmiegte und sie hochdrückte, so dass sie gut zur Schau gestellt waren. Ihre runden Hüften wurden durch einen Rock betont, der verschwenderisch mit Seidenblumen und Jadeperlschnüren verziert war.
»Erzähl mir von Mrs. Wentworth«, lockte Pauline und strich ihm die dunklen Haare glatt, damit jeder die besitzergreifende Geste beobachten konnte. »Wie war sie?«
Damon suchte vergeblich nach einem passenden Wort, um die Frau zu beschreiben, die er kennengelernt hatte. Da ihm keins einfiel, zuckte er hilflos die Schultern.
Paulines Lippen verzogen sich verdrießlich, und sie warf den Kopf herum, bis die smaragdgrüne Feder in ihren dunklen Locken fröhlich hüpfte. »Nun, zweifellos ist sie wie jede Schauspielerin bereit, für jeden Mann, den sie trifft, die Röcke zu heben.«
Ironisch dachte Damon, dass Julia Wentworth sich vermutlich nicht anders benahm als Pauline, nur dass Pauline glaubte, wegen ihrer Abstammung etwas Besseres zu sein. »Sie schien mir nicht frivol zu sein.«
»Man erzählt sich in ganz London, dass sie eine Affäre mit Logan Scott hat. Man muss sie nur gemeinsam auf der Bühne sehen, um zu wissen, dass es stimmt.«
Sie schüttelte sich ein wenig dramatisch, um ihrer Aussage Nachdruck zu verleihen. »Die Luft raucht förmlich!
Aber Mr. Scott hat diese Wirkung vermutlich auf jede Frau, da bin ich sicher.«
Damon wusste wenig über die Welt des Theaters, aber wie jeder andere kannte er Logan Scotts Leistungen. Scott förderte einen natürlichen Schauspielstil, wie er niemals zuvor gezeigt worden war. Sein kraftvoller, aber verwundbarer Hamlet war legendär, aber er war ebenso talentiert für komische Rollen in leichten Stücken wie etwa Der enttäuschte Ehemann. Obwohl Damon nicht das Urteilsvermögen eines Kritikers besaß, hatte er doch Scotts außerordentliches Talent erkannt, das Publikum in den Bann der Gedanken- und Gefühlswelt eines Charakters zu ziehen.
Noch beeindruckender war der Profit, den Scott dem Capital Theatre eingebracht hatte, wodurch es ein gleichrangiger Konkurrent des Drury Lane wurde. Er konnte geschickt mit Menschen und Geld umgehen. Ein Mann mit solchen Talenten sollte von der Creme der Gesellschaft hofiert werden – und tatsächlich schien Scott viele hochgeborene und prominente Freunde zu haben. Aber niemals wäre er voll und ganz von ihnen anerkannt worden. Er war ein Emporkömmling, und der Adel glaubte, dass er eine gesellschaftliche Stellung erreicht habe, die ihm nicht bestimmt sei. Frauen und Männer im Schauspielberuf hatten die Massen und die Aristokratie zu unterhalten und gehörten ansonsten in ihre eigene Halbwelt aus Kunst und Illusionen.
Unvermutet tauchte das Bild von Jessica Wentworths schönem Gesicht in Damons Kopf auf. Was würde aus ihr werden, wenn sie nicht mehr in der Lage war, ihren Lebensunterhalt auf der Bühne zu verdienen? Eine Schauspielerin hatte höchstens die Möglichkeiten, die Geliebte eines reichen Mannes zu werden oder, wenn sie Glück hatte, einen alternden Witwer oder ein nicht besonders gut bestücktes Mitglied des Adels zu heiraten … Aber Mrs. Wentworth war ja bereits verheiratet.
Was würden Sie gern vergessen?
Einen Ehemann.
Welchen Mann hatte sie geheiratet? Wer war er und weshalb …
»Liebling, woran denkst du?« Pauline zerrte gebieterisch an seinem Arm. »Ich bin nicht daran gewöhnt, dass die Aufmerksamkeit eines Mannes so weit abschweift, wenn ich so nahe bin.«
Damon schüttelte die Gedanken an Jessica Wentworth ab und sah auf Pauline hinunter. »Dann laß mich an etwas anderes denken«, murmelte er und lächelte, als sie sich hochreckte, um ihm etwas Aufreizendes ins Ohr zu flüstern.
Als Julia die Marmortreppe erreichte, die zu den oberen Räumen führte, hatte sie einen Kloß im Hals, und ihre Augen brannten vor Tränen. Sie blieb auf dem ersten Treppenabsatz stehen, und ihre Finger umklammerten das Geländer.
»Jessica.« Sie hörte Logan Scotts unverkennbare Stimme und seine Schritte auf der Treppe, als er zu ihr kam. Sie wartete, ohne sich umzudrehen, da sie nicht wollte, dass er ihr Gesicht sah. »Was ist passiert?« fragte er mit einem Anflug von Ärger. »Ich schaute zufällig in Ihre Richtung und sah, wie Sie wie von Sinnen aus dem Ballsaal rannten.«
»Ich bin müde«, brachte sie mühsam mit belegter Stimme hervor. »Ich kann heute Abend nicht mehr da hineingehen.«
»Hat
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