Das Geheimnis der Rose
als sie sah, wie ein Diener in der Ecke Leinen zusammenlegte.
»Das ist alles«, murmelte Savage dem Diener zu, der nickte, sofort ging und leise die Tür hinter sich schloss.
Sie waren allein in einem Raum voller gelbem Brokat, Mahagonimöbeln und Bildern mit harmonischen Schäferszenen … Allein standen sie sich nach all den Jahren gegenüber. Savage konnte auf keinen Fall wissen, wer sie war, aber trotzdem fühlte sie sich ausgesetzt und in Gefahr. Nur ihre Geheimnisse konnten sie beschützen.
Kapitel 3
Savage starrte sie weiterhin an, bis Julia sich fragte, ob mit ihrem Aussehen etwas nicht stimmte. Verlegen strich sie sich über die Haare und nahm dann die Hand herunter. Es war einerlei, ob ihr jede Locke vom Kopf abstand – seine Meinung kümmerte sie nicht im Geringsten.
Savage sah wegen seiner mangelhaften Kleidung an sich hinunter und zog den Gürtel seines seidenen Morgenmantels fest. »Ich hatte nicht mehr mit Besuch gerechnet«, murmelte er. Sie verschränkte die Arme vor der Brust in einer Geste, die zugleich kämpferisch und selbstbewusst war. »Ich werde nicht lange bleiben.«
Er starrte sie wieder an. Es schien, dass ihm das Schweigen ebenso unangenehm war wie ihr … aber er schien ebenso machtlos zu sein, es zu brechen. Julia versuchte vergeblich, seine Gedanken zu lesen, aber er verriet nichts.
Welch ein Mann war er? Für gewöhnlich war es leicht für sie, den Charakter eines Menschen zu erkennen, zu spüren, ob eine Person an sich freundlich, selbstsüchtig, schüchtern oder ehrenwert war. Savage verriet nichts von sich.
Sein Gesicht war auf strenge Weise schön mit der langen Nase, den ausgeprägten Wangen und dem kämpferisch vorstehenden Kiefer. In seinem großen, schön geschwungenen Mund und seinen von langen Wimpern umrahmten grauen Augen entdeckte sie gewinnende, überraschende Anzeichen von Sanftheit.
Es musste für viele Frauen eine unwiderstehliche Versuchung sein, Savage zum Lächeln zu bringen, sie begehrend anzusehen oder irgendein Gefühl in diesen rätselhaften Gesichtszügen zu erregen. Selbst ihre Fantasie wurde angeregt zu der Vorstellung, wie es wohl wäre, sein schwer zu gewinnendes Vertrauen zu erringen, seinen dunklen Kopf auf ihrem Schoß zu halten und mit den dicken schwarzen Locken zu spielen …
»Weshalb sind Sie hier, Mrs. Wentworth?« fragte er.
Julia spürte, wie ihre Augenbrauen sich zornig zusammenzogen, und antwortete knapp: »Ich glaube, das, wissen Sie bereits, Mylord.«
»Scott hat mit Ihnen gesprochen.«
»Ja, das hat er getan. Und ich bin jetzt hier, um einen Eindruck zu korrigieren. Sie scheinen zu denken, dass Sie sich mit Ihrem Geld alles kaufen können.«
»Meistens ist das so.«
»Nun, aber mich können Sie nicht kaufen.« Sie war bereits einmal in ihrem Leben verkauft worden für einen Titel, den sie überhaupt nicht gewollt hatte. Das würde nie wieder geschehen.
»Es scheint sich da um ein Missverständnis zu handeln«, sagte er ruhig. »Wenn Ihnen die Vorstellung, mit mir zu dinieren, nicht zusagt, können Sie doch ablehnen.«
»Das haben Sie mir unmöglich gemacht. Wenn ich die Einladung nicht annehme, verliere ich für diese Saison im Capital alle guten Rollen – Rollen, die ich sonst gespielt hätte!«
Er schien beunruhigt, und seine dunklen Brauen zogen sich zu einem Stirnrunzeln zusammen. »Möchten Sie, dass ich mit Mr. Scott spreche?«
»Nein! Das würde die Situation nur verschlimmern.« Savage zuckte die Schultern und brachte sie mit einer sachlichen Antwort in Wut. »Nun, ich denke, dann müssen Sie wohl einfach das Beste daraus machen.«
»Was ist mit der Frau, mit der Sie heute Abend in der Ecke gesessen haben?« fragte sie. »Lady Ashton, glaube ich.
Sie scheint Ihnen sehr zugetan zu sein.«
»Lady Ashton hat keine Ansprüche an mich. Sie und ich haben eine Vereinbarung.«
»Wie klug von Ihnen«, sagte sie scharf. »Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, Lord Savage. Wenn Sie ein verheirateter Mann wären, würden Sie dann trotzdem mit mir allein essen wollen?«
»Da ich Junggeselle bin«, sagte er gelassen, »ist die Frage ohne Bedeutung.«
Junggeselle! Die Erkenntnis, dass er beschlossen hatte, ihre lange zurückliegende Heirat beiseite zu schieben und so zu tun, als wäre sie von der Erdoberfläche verschwunden, erfüllte Julia mit Empörung. Um ehrlich zu sein, sie hatte das gleiche getan – aber ihre Situationen waren wohl kaum miteinander zu vergleichen. Schließlich hatte sie sich in den
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