Das Geheimnis der Rose
Rest unseres Lebens so weitergehen? Muss ich dich für den Rest meiner Tage heimlich treffen? Wirst du niemals versuchen, mit deinem Vater Frieden zu schließen und ihm zu verzeihen?«
Bei der Erwähnung ihres Vaters spannte Julia ihre Kiefernmuskeln hart an. »Er will meine Verzeihung nicht.«
»Trotzdem musst du ihm verzeihen, nicht um seinetwillen, sondern um deinetwillen.« Evas Augen waren voller Liebe und Flehen. »Du bist kein aufsässiges Mädchen mehr, Julia. Du bist eine unabhängige Frau mit einem starken Willen – der vielleicht stärker ist als mein eigener. Aber du darfst auch die sanfte Seite deiner Natur nicht verlieren, die Seite, die zärtlich und mitfühlend ist. Wenn du diese Bitterkeit in dir nährst, habe ich Angst, was aus dir wird. Trotz allem hege ich immer noch dieselben Träume für dich, die jede Mutter für ihre Tochter hat: dass du einen Mann und ein Haus und eine Familie …«
»Das werde ich mit Lord Savage nicht haben«, beharrte Julia stur.
»Wirst du wenigstens mit ihm sprechen?«
»Ich kann nicht …« begann Julia, wurde aber von einem zögernden Klopfen an der Tür unterbrochen. Es war Polly, ein Hausmädchen, das seit beinahe zwanzig Jahren in den Diensten der Hargates stand. Sie war eine humorlose, aber freundliche Frau mit einem eulenhaften kleinen Gesicht. Julia hatte sie immer gemocht, weil sie Eva vollkommen ergeben war.
»Ma’am«, murmelte Polly zu Eva, »da ist ein Besucher für Lord Hargate. Ich habe ihm gesagt, dass der Herr nicht zu Hause ist … und dann hat er nach Ihnen gefragt.«
Eva sah beunruhigt aus. Sie empfing wegen ihrer angegriffenen Gesundheit nur selten unangemeldete Besucher.
»Ich möchte die Zeit mit meiner Tochter nicht unterbrechen«, sagte sie. »Bitten Sie ihn, später zu kommen.«
»Ja, Ma’am, aber … es ist Lord Savage.«
»Lord Savage ist in der Eingangshalle?« fragte Julia benommen. Als das Hausmädchen nickte, stieß sie eine Reihe von Flüchen aus, und die beiden Frauen starrten sie entsetzt an. »Er darf nicht wissen, dass ich hier bin«, sagte sie und ging auf den angrenzenden Raum zu, einen weiteren Bereich von Evas Privaträumen. »Mama, lass ihn herbringen und finde heraus, was er will … aber sag ihm nichts von mir.«
»Was wirst du tun?« fragte Eva verwirrt.
»Ich werde mich nebenan verstecken. Bitte, Mama, sag nichts zu ihm … Ich kann jetzt keine Entscheidung treffen.«
Julia warf ihr eine Kusshand zu, bevor sie im Nebenzimmer verschwand.
Damon hatte erst zweimal zuvor in seinem Leben einen Fuß auf den Besitz der Hargates gesetzt. Das erste Mal war der Tag seiner Hochzeit gewesen, im Alter von sieben Jahren. Das zweite Mal lag drei Jahre zurück, als er die Hargates wegen des Aufenthaltsortes ihrer Tochter angesprochen hatte. Er hatte Lady Hargate als stille und blasse Frau vorgefunden, unterwürfig in Tonfall und Erscheinung. Wie vorauszusehen, war Lord Hargate ein kalter Mann, der sich jedem überlegen fühlte, mit dem er zu tun hatte. Seit diesem Tag hatte sich Damon oft gefragt, wen von beiden Julia Hargate wohl lieber mochte: ihre zaghafte Mutter oder ihren herrischen Vater.
Keine der Möglichkeiten war angenehm.
Damon wartete geduldig in der Eingangshalle. Das Innere des Hauses war elegant, einschüchternd, beinahe wie eine Kirche mit den kompliziert gewölbten Decken und dem Geruch nach poliertem Holz. Wie war es für ein kleines Mädchen gewesen, in dieser Umgebung aufzuwachsen? Hatte Julia Hargate die Halle mit ausgelassenem Kreischen gefüllt, und hatte ihre kindliche Stimme an den hohen Decken ihr Echo gefunden? Oder hatte sie still in einer abgelegenen Ecke gespielt, in ihre eigene Fantasie versunken? Seine eigene Kindheit mit all ihren Fehlern und Unsicherheiten war dieser hier sicher unendlich vorzuziehen.
Wo war Julia jetzt? Wohin mochte sie geflohen sein, nachdem sie an einem solchen Ort aufgewachsen war?
Fliehen … Kurz dachte er an Jessica Wentworth an jenem Abend, als sie sich kennengelernt hatten, und an ihre Worte. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der mit seiner Vergangenheit zufrieden ist. Es gibt immer etwas, das wir gern verändern oder vergessen würden …
Das Hausmädchen kam zurück und unterbrach seine Gedanken.
»Lady Hargate wird Sie empfangen, Mylord. Aber bitte nicht zu lange, Sir, denn sie hat eine zarte Gesundheit.«
»Ich verstehe.«
Das Hausmädchen führte ihn aus der Eingangshalle nach oben, durch Flure mit dicken Teppichen und endlosen
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