Das Geheimnis der Rosenkreuzerin
Bruder noch einmal zu und ging, gefolgt von der Begine, während Johannes hinter David stehend seine Arme über dem Oberkörper des Jungen kreuzte.
Kapitel 2
M arta spürte, dass jemand heftig an ihr rüttelte. »Mama, jetzt wach doch endlich auf! Wach auf! Benjamin weint!«, hallte es unerbittlich in ihren Ohren. Mühsam befreite sich Marta aus den Fängen des Traums, starrte ihre dreizehnjährige Tochter mit weit aufgerissenen Augen an und blickte sich dann ungläubig im Zimmer um. Sie brauchte einen Augenblick, bis sie begriff, dass sie die Kinderärztin Marta Luther war und in ihrem Bett in ihrer Hamburger Wohnung lag. So sehr hatte sie der Traum in seinen Bann gezogen. Marta sprang auf. Ihr wurde schwarz vor Augen, und sie schwankte, weil sich ihr Kreislauf noch im Tiefschlaf befand. Sie stützte sich am Fensterbrett ab.
»Was ist mit Benjamin?«, fuhr sie die Tochter heftig an. Sie bereute den rauen Ton sofort, denn ihr Verhältnis ge staltete sich von Tag zu Tag gespannter. Statt zu antworten, zog sich Katharina wieder hinter die Fassade ihres gelangweilten Gesichtsausdrucks zurück, an dem jede weitere Frage hoffnungslos zerschellte und der Marta zur Weißglut trieb. Aber für Wut hatte sie jetzt keine Zeit. Mühsam bekam sie ihren Kreislauf unter Kontrolle. Sie stürzte ins Schlafzimmer des Sohnes, ver zichtete aber darauf, die Lampe anzuschalten, weil sie ihn nicht blenden wollte. Der schwache Lichtschein durch die Tür des Schlafzimmers genügte, der Mond und der sternenklare Himmel taten ein Übriges.
Benjamin saß in seinem Bett unter einem riesigen Tigerposter, das er sehr liebte, und schrie herzzerreißend. Mit aller Kraft presste er seinen Schlafgesellen, einen kleinen Plüschtiger, an seine Brust. Dass Benjamins Weinen sie nicht geweckt hatte, wunderte sie, denn sie hatte eigentlich einen leichten Schlaf. Nicht einmal ein Hüsteln der Kinder entging ihr. Aber vielleicht war sie nach der emotionalen Achterbahn der letzten Monate einfach zu erschöpft.
»Beruhig dich, Benni! Was hast du denn?«, fragte Marta und streichelte ihm tröstend übers Haar. Ein süßlich beißender Geruch stieg ihr in die Nase. Ihr siebenjähriger Sohn hatte ins Bett gemacht. Marta nahm ihn auf den Arm, obwohl er für die zierliche Frau inzwischen eigentlich zu schwer war.
Sie setzte Benjamin vor der Badewanne ab und zog ihm die Schlafsachen aus, die sie in eine kleine Wanne warf. Dann duschte sie ihn. »Das ist nicht schlimm, Benni. Wirklich nicht. So was kann passieren«, sprach sie begütigend auf ihn ein. Marta zwang sich, gelassen zu wirken. Als Kinderärztin wusste sie, dass plötzliches Bettnässen auf psychische Probleme, vielleicht sogar auf ein Trauma hinwies. Sie trocknete den Sohn mit dem großen blauen Handtuch ab und wollte ihm einen Kuss geben, doch er wandte den Kopf ab. Wenigstens weinte er nicht mehr. Bevor sie ihn wieder ins Bett bringen konnte, klingelte ihr Handy. Sie wusste genau, wer sie mitten in der Nacht anrief. »Geh schon mal vor«, rief sie ihrem Sohn zu und sah ihm einen Augenblick lang nach. Er schämte sich. Wie ein begossener Pudel, dachte sie, und das Bild brannte sich in ihr Gehirn, denn sie zweifelte nicht daran, dass die Ursache für das Malheur bei ihr lag. Das Handy gab keine Ruhe. Mit einem leisen Fluch nahm sie den Anruf an. »Marta Luther!«
»Marta, du musst sofort in die Klinik kommen. Karl ist ausgefallen. Eine Not-OP«, brüllte am anderen Ende der Leitung Stationsarzt Gundolf, der Nachtdienst hatte.
»Bin schon unterwegs«, hörte sie sich routiniert antworten. Sie schaltete das Handy aus und spürte Katharinas kalten Blick auf sich. »Es tut mir leid, Katharina.«
»Kari!«
»Es tut mir leid, Kari, aber eine Not-OP…«
»Ich weiß, du musst mal wieder Leben retten. Geh schon, ich kümmere mich um Benni.« Kalt und gelangweilt hatte ihre Tochter das gesagt, ohne auch nur die geringste Neigung zu einer Diskussion erkennen zu lassen. Sie wirkte nicht einmal mehr zornig.
So schroff Katharina auf ihre Mutter reagierte, so liebevoll ging sie mit ihrem Bruder um. »Komm Benni, kannst bei mir schlafen.«
»Wirklich?!« Marta konnte der Stimme ihres Sohnes förmlich anhören, wie seine Augen leuchteten.
»Ja, wirklich«, antwortete Katharina liebevoll.
Schnell zog Marta Jeans, einen Pullover und den Mantel an. Als sie auf die Straße trat, knirschte Neuschnee unter ihren Schuhen. Schneeflocken tanzten wie kleine Wattesterne durch die Luft, als spielten sie mit den
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