Das Geheimnis der Rosenkreuzerin
auch er. Sie staunte, als sie Yussuf und Avram gegenübertrat, denn beide steckten zwar noch in den alten und abgetragenen Sachen der Metzger, doch es ging eine Ausstrahlung von ihnen aus, die sie jünger, ja alterslos erscheinen ließ. In ihren Augen las sie, dass sie über den Verlauf ihrer Reise Kenntnis hatten.
»Ist Mansur wirklich tot?«, fragte sie und fürchtete zugleich die Antwort, weil sie diese im Grunde ihres Herzens bereits kannte.
»Der lebenslustige Mann starb wie ein Held«, sagte Yussuf.
»Ja, Hassans Mörder kommen uns immer näher. Aber wir sehen sie«, fügte Avram gelassen hinzu.
Dass sie weder ihre Mutter noch ihren Vater gerettet hatte, als sie dazu in der Lage war, empfand sie als tiefe Schuld. Deshalb fragte sie die beiden, was geschehen wäre, wenn sie eingegriffen hätte.
»Dann hätte sich der Teufel ins Fäustchen gelacht«, antwortete Yussuf knapp.
»Niemand ändert, was geschehen ist. Der entfesselte Zorn hätte die Liebe in dir zerstört. Lerne handeln, das Notwendige zu tun, auch töten, wenn es sein muss, ohne zu hassen.«
Yussuf gratulierte ihr dazu, dass sie nun außerhalb ihres Körpers reisen konnte, wie sie es in der Meditation bereits getan hatte, und Kontakt mit jedem Menschen aufzunehmen vermochte, ganz gleich, wo auf der Erde er sich befand.
»Auch mit Christian?«
Yussufs Gesicht wurde hart. »Nein. Wir wissen nicht, wie es Christian geht, ob er Hasan widersteht oder von ihm umgedreht wurde. Du würdest dich verraten. Was auch immer dir in seinem Körper begegnet, es ist höchst ungewiss, ob es Christian sein wird, der dir gegenübersteht. Sei auf der Hut. Von dir hängt alles ab.«
Zwei Tage ließen ihr die Weisen, um sich zu erholen, zu baden, sich wieder an das Licht zu gewöhnen und Vorbereitungen für die Abreise zu treffen. Die Sonne ging über Fès auf, vom Minarett der Al-Qahira pries der Muezzin Allah und rief die Gläubigen zum Gebet, als sich Maria und Hafis von den beiden Männern verabschiedeten. Sie wandten sich zum Gehen, da standen drei schwarz gewandete Männer vor ihnen, die ihre Säbel zogen.
»Hasan entbietet euch durch uns seine Ehrerbietung und seinen letzten Gruß.«
Bevor die Mörder sie erreichen konnten, hatte Maria Azrael gezogen und mit einem Schwerthieb dem Ersten, der gesprochen hatte, den Schädel gespalten, dem Zweiten die Spitze in den Hals getrieben, sie blitzschnell wieder herausgezogen, sich auf der Stelle um die eigene Achse gedreht und dem Dritten ins Herz gestochen. Das alles in einer Geschwindigkeit, die es jedem Beobachter schwergemacht hätte, ihren Bewegungen zu folgen. Es war ihr gelungen, exakt im gleichen Moment auf die Aktionen ihrer Gegner zu reagieren, in dem diese den Entschluss dazu fassten.
»Du bist für den Weg bereit. Geh, wir schaffen das hier fort. Niemand wird nach den Unglücklichen fragen, die glauben, ins Paradies zu den sechzig Jungfrauen zu kommen und stattdessen bei des Teufels haariger Großmutter landen. Was für ein Betrug!«
Sie schlossen sich einer Karawane an, die durch das Küstengebirge zur Hafenstadt Mric zog. Dort bestiegen sie eine Galeere, die sie nach Palermo brachte, von dort nahm sie ein arabisches Handelsschiff mit nach Antiochia. Anschließend trugen sie Kamelrücken auf der Seidenstraße über Palmyra und Bagdad bis nach Ekbatana. Das Zagrosgebirge im Rücken, ritten sie auf zwei schwar zen Hengsten in die hohen karstigen Gebirge, die zwischen der Handelsstadt und dem Kaspischen Meer lagen.
Drei Monate nach ihrem Aufbruch aus Fès erreichten sie in den Abendstunden das Plateau eines Berges, von dem aus sie auf der gegenüberliegenden Seite des Tals die mächtigen Befestigungsanlagen von Alamut, dem Adlersitz der fidawijja oder, wie die Franken sagten, der Assassinen erblickten. Wie Blut leuchtete das Rot der Mauern, eine Warnung für jeden, der sich der Feste unbefugt zu nähern beabsichtigte.
Das Hauptquartier des mächtigen Feindes im Auge, wusste Maria, dass es nun darauf ankommen würde zu siegen, dass es um alles ginge und die Hoffnung der Weisen von Damcar auf ihren schmalen Schultern ruhte. Nur auf sie würde es ankommen, auf ihre Klugheit, auf ihre Schnelligkeit, auf ihr Glück …
Kapitel 34
M arta erwachte wie aus einer Trance. Durch die Glaskuppel, unter der sie zu schweben schien, fiel das sanfte Licht der Morgensonne und erweckte in ihr das Gefühl, als erwache das Leben nach einem langen Schlaf. Alfonso blickte sie freundlich an.
Sie brauchte einige Minuten,
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