Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Könnt Ihr mir sagen, was Ihr dort zu verrichten hattet?«
»Man schickte nach mir, weil einer der Bediensteten am Hofe an der Brustkrankheit leidet und einen Krampfanfall, einhergehend mit hohem Fieber, hatte. Der dortige Arzt war nicht zugegen, verreist, und so bat man mich, zu helfen.«
»Und wie habt Ihr dem Kranken geholfen?«
Jetzt lächelte Moses Baruch flüchtig.
»Ich konnte ihm nicht helfen, brachte nur Kräuter, die mir dann abgenommen wurden. Danach schickte man mich unverrichteter Dinge wieder nach Hause.«
»Was waren das für Kräuter?«
»Zum Einen war es weißer Stechapfel.«
»Das bei falscher Dosierung zum Tode führen kann«, kommentierte Antonius Schottel. »Es führt zu Pupillenerweiterung. Daran kann man die Vergiftung erkennen. Ich habe erweiterte Pupillen beim Commissarius festgestellt.«
»Beim Commissarius? Man sagte mir nichts von einem Commissarius. Man sagte mir, es sei ein Bediensteter. Außerdem hat wohl selbst Hildegard von Bingen, die Euch wohl bekannt sein dürfte, mit dieser Pflanze experimentiert. Richtig eingesetzt, wirkt sie gegen Fieber und Krampfzustände. Außerdem beruhigt es die Atmung.«
»Stimmt. Was waren es für andere Kräuter, die Ihr noch in das Schloss brachtet?«
»Da war noch schwarzes Bilsenkraut.«
»Wisst Ihr denn nicht, dass man diese Pflanze auch als Hexenkraut bezeichnet, dass es berauschend wirkt und ebenfalls sehr giftig ist, so bei schwachen Menschen zum Tode führen kann?«
»Natürlich ist mir das bekannt. Aber bei richtiger Anwendung verfällt der Patient in einen beruhigenden Schlaf. Außerdem kann man es auch als Räuchermittel einsetzen. Außerdem fügte ein christlicher Arzt Extrakte des Bilsenkrauts bei der Herstellung von Laudanum zu. Teophrastus Bombastus von Hohenheim dürfte Euch wohl bekannt sein.«
»Natürlich habe ich die Lehre des Dr. Paracelsus studiert. Jeder halbwegs vernünftige Mediziner, der etwas auf sich hält, kennt seine Lehre. Habt Ihr sonst noch etwas an Kräutern ins Schloss geschafft?«
»Ja, Alraune. Und bevor Ihr mich gleich wieder belehrt, es ist mir bekannt, dass die Wurzel der Alraune unter Christen auch als Zauberwurzel bekannt ist. Aber bei richtiger Verwendung ist es ein äußerst schmerzstillendes Mittel.«
»Und eine Überdosierung führt zur Vergiftung, die sich durch Hautrötung, trockene Mundschleimhäute, Verwirrtheit und Bewusstlosigkeit bis hin zum Tode äußert. Das müsste Euch auch bekannt sein.«
»Aber ich habe doch gesagt, dass ich diese Kräuter nur dorthin gebracht habe. Ich weiß nicht, wer sie verarbeitet hat.«
Doktor Antonius Schottel nickte verständnisvoll, erhob sich und nahm Konrad Groppers fragenden Blick auf.
»Zumindest wissen wir jetzt, mit welcher Art von Vergiftung wir es genau zu tun haben. Die Symptome Eures Herrn passen eindeutig zu den Giften der hier genannten Pflanzen.«
Groppers Gesichtszüge verdunkelten sich. Zornig blickte er Moses Baruch an.
»Wenn meinem Herrn auch nur ein Leid geschieht, dann gnade Euch Gott!«, stieß er wutschnaubend aus.
»Beruhigt Euch, Kutscher. Ein paar Tage Ruhe, gesunde Kost und ein kräftiger Aderlass werden ihn schon wieder auf die Beine bringen. Ich werde jetzt seine Exzellenz, den Fürstbischof unterrichten.«
»Und was ist mit mir?«, erkundigte sich Moses Baruch jetzt wieder ängstlich.
Schottel warf ihm einen verächtlichen Blick zu.
»Das wird der Fürstbischof entscheiden.«
+
Acht Tage später hatte sich Matthias von den Strapazen seiner Folter wieder einigermaßen erholt und saß in einer Bank des St. Kiliandoms zu Würzburg und lauschte den Proben zur Marienvesper von Claudio Monteverdi. Matthias verehrte Monteverdis Musik, besonders seine Bühnenwerke, versprachen sie doch immer Kurzweil und geistige Erbauung.
Als er den Proben zur Marienvesper lauschte, überkamen ihn eigenartige Gefühle und Gedanken. Traumbilder schlichen sich wieder ein, die er längst vergessen glaubte. Er dachte zurück an Béziers, an seine Visionen von einer sterbenden Frau, die ihm ein Kind entgegenstreckte, das er retten und fortan beschützen sollte. In dieser Vision war Matthias nicht er selbst. Er war einer seiner Urahnen, Wilfred vun de Lynde. Ein weiteres Traumbild drängte sich ihm auf, das Bild einer Frau, jung und schön, mit wallendem dunkel-rötlich glänzendem Haar. Sie hielt ihm einen Rosenkranz entgegen und rief ihm die Worte: „Hilf mir, bitte hilf mir“ entgegen. Wer war diese Frau? War es Maria, die Mutter Gottes?
Weitere Kostenlose Bücher