Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
die Treppe hinauf in seine Kammer. Jetzt holte er ein altes Dokument hervor, das er bisher unter seinem Rock verborgen hatte. Er musste wissen, was sich unter der Anmerkung Ecce Engelberti verbarg.
... so kann ich Euch, Meister, berichten, dass sich der Dompropst Engelbert von Berg an seine kaiserliche Hoheit Friedericus Rex gewandt und ihm in einem geheimen Bericht Auskunft über die häretischste aller apokryphen Schriften gegeben hat. Er und seine Getreuen, sie hatten es gefunden, das Evangelium der Maria Magdalena und bewahren es an einem sicheren Ort auf. Eine Brandschrift, die in der Lage ist, die heilige Mutter Kirche zu zerstören.
Ich will nicht verhehlen, dass es mein Eindruck ist, dass ausgerechnet dieses Wissen Friedrich II. dazu verhalf, von Papst Innozenz III. zum Kaiser gekrönt zu werden. Engelbert versprach in seinem Brief an Friedrich, das Wissen um diese Ketzerschrift geheim zu halten. Schließlich garantierte er auch, dass seine Mitwisser das Geheimnis für sich behalten würden. Anderenfalls würde er geeignete Mittel und Wege wissen, diese für immer zum Schweigen zu bringen. Engelbert hat ja auch bekanntlich mit seinem Ansinnen Erfolg gehabt. Denn schließlich stieg Engelbert zum Erzbischof von Cölln auf und wurde kurz darauf von Kaiser Friedrich zum Reichsgubernator ernannt. Er hatte es geschafft, er war der Stellvertreter des Kaisers und der Vormund des kaiserlichen Sohnes Heinrich. Selbst der Papst, der ihn einst exkommunizierte und auf einen Kreuzzug gegen die Katharer schickte, war plötzlich sein Förderer.
Doch der Weg dorthin war weniger ehrenvoll, als es den Anschein hat. Der einstige Verräter an der heiligen Mutter Kirche wurde erneut zum Verräter, doch waren es diesmal seine eigenen Getreuen und Gefolgsleute. Engelbert hat die wahre Macht der Feuerschrift erkannt und für sich eingesetzt, indem er in den Schoß der heiligen Mutter zurückkehrte und diese gegen jedwede Anfeindung verteidigte. Ein wahrer Wandel, vom Saulus zum Paulus.
»Die Wege des Herrn sind unergründlich«, murmelte der Lektor, nachdem er die erste Seite des Konvolutes gelesen hatte. Neugierig machte er sich daran, auch den Rest zu lesen. Einige Zeit später wurde ihm das Ausmaß und die Tragweite des Verrates Engelberts vollends bewusst. Nachdenklich saß er da und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Ihm wurde plötzlich klar, dass der Deutsche Orden gar nicht auf seine Hilfe oder die Hilfe dieses churcöllnischen Kommissars angewiesen war. Es wäre dem Orden ein leichtes gewesen, Ferdinand von Cölln diese Papiere zuzuspielen, um so dessen geplantes Wunder zu verhindern.
Es ging dem Deutschen Orden gar nicht darum, die Heiligsprechung Engelberts zu verhindern, das war wohl nur der Vorwand! In Wirklichkeit suchten auch sie jene verfluchte Feuerschrift, nach der eine Hure der Fels sein sollte, auf dem Jesus Christus seine Kirche bauen wollte. Doch was bezweckten sie damit? Wollten sie die teuflische Macht dieser Schrift für sich benutzen?
Er verspürte Durst und stand auf, um in die Gaststube zu gehen. Ein Becher Wein würde ihm sicher gut tun. Er hatte die Türklinke schon in der Hand, als er innehielt. Er blickte zum Waschtisch, wo ein Krug mit frischem Wasser und eine Schüssel standen. Wasser – klar und rein, so sollten auch seine Gedanken bleiben. Er ließ die Türklinke los und trank einen Schluck Wasser direkt aus dem Krug. Dann schüttete er Wasser in die Schüssel, wusch sich Gesicht und Hände. Schließlich griff er zu Papier, Feder und Tinte und schrieb einen Brief an den Hochmeister des Deutschen Ordens. Johann Eustach von Westernach sollte schon informiert sein. Aber er würde dem Deutschen Orden einen Schritt voraus sein.
Er wartete noch bis zum Abend, um sicher zu gehen, dass der Fürstbischof von Würzburg mitsamt seinem Gefolge Mergentheim verlassen hatte. Dann machte er sich auf den Weg. Er musste Rom unter allen Umständen vor diesem Anwalt erreichen. Der Heilige Stuhl musste gewarnt werden.
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Johann Eustach von Westernach nickte zufrieden, als er den Brief des Lektors in den Händen hielt. Churfürst Ferdinand von Cölln würde niemals sein Ziel erreichen können, seinen Amtsvorgänger Engelbert heilig sprechen zu lassen. Zum anderen wusste der Gesandte des Cöllner Erzbischofs offenbar nichts von dem, was die Rosenkranzbruderschaft und der Deutsche Orden tatsächlich suchten. Doch Liebknechts Suche nach der Bruderschaft der Johannisritter von Cölln würde ihn schließlich ganz
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