Das Geheimnis der Schnallenschuhe
Wir haben glänzend zusammengearbeitet. Es war unerhört aufregend. Sie war eine ausgezeichnete Gefährtin, und ich glaube, dass ich sie glücklich gemacht habe. Als sie starb, empfand ich aufrichtig Trauer.
Das Sonderbare war, dass Gerda und ich an unseren geheimen Begegnungen immer mehr Gefallen fanden. Wir hatten alle möglichen schlauen Kombinationen. Sie war die geborene Schauspielerin und verfügte über ein Repertoire von sieben oder acht Charaktergestalten – Mrs Chapman war nur eine davon. In Paris spielte sie eine amerikanische Witwe. Dort traf ich sie, wenn ich geschäftlich nach Frankreich fuhr. Dann wieder fuhr sie als Malerin nach Norwegen, wo ich zu fischen pflegte. Und später ließ ich sie als meine Cousine Helen Montressor auftreten. Die ganze Geschichte hat uns einen Riesenspaß gemacht, und wahrscheinlich haben wir damit auch unsere Liebe jung erhalten. Nach Rebeccas Tod hätten wir ja offiziell heiraten können – aber wir wollten nicht. Gerda wäre es schwer gefallen, mein bürgerliches Leben mitzuleben, und natürlich hätte auch die Vergangenheit in irgendeiner Weise ans Licht kommen können. Aber der wirkliche Grund dafür, dass wir unser bisheriges Leben mehr oder weniger unverändert fortsetzten, war der, dass wir unsere Komödie nicht mehr missen wollten. Ein nach außen hin gemeinsames Leben hätten wir unerträglich langweilig gefunden.»
Blunt schwieg. Seine Stimme klang bitter und hart, als er fortfuhr.
«Und dann hat dieses närrische Frauenzimmer alles verdorben. Mich wieder zu erkennen – nach all den langen Jahren! Und natürlich hat sie es Amberiotis erzählt. Sie sehen ein – Sie müssen einsehen –, dass etwas geschehen musste! Es ging nicht nur um meine Person – um mein egoistisches Interesse. Wenn ich ruiniert und geächtet wurde, bedeutete das auch einen schweren Schlag für das Land – für England. Denn ich habe einiges für England getan, M. Poirot. Geld als solches ist mir eigentlich gleichgültig. Dagegen liebe ich die Macht: Ich liebe es zu herrschen – allerdings ohne zu tyrannisieren. Wir sind demokratisch in England – wirklich demokratisch. Wir dürfen murren, wir dürfen unsere Meinungen äußern und über unsere Staatsmänner lachen. Wir sind frei. An alledem hänge ich – es ist mein Lebenswerk gewesen. Aber wenn ich gehen müsste – nun, Sie können sich vorstellen, was dann geschehen würde. Ich werde gebraucht, M. Poirot. Und ein verdammter, betrügerischer, erpresserischer Gauner von einem Griechen war im Begriff, mein Lebenswerk zu zerstören! Etwas musste geschehen – auch Gerda hat das verstanden. Die Sainsbury Seale hat uns Leid getan – aber es nützte nichts: Wir mussten sie zum Schweigen bringen. Wir konnten uns nicht darauf verlassen, dass sie den Mund halten würde. Gerda suchte sie auf, lud sie zum Tee ein, sagte ihr, sie wohne vorübergehend in Mrs Chapmans Apartment. Mabelle Sainsbury Seale kam, ohne den geringsten Verdacht zu schöpfen. Sie hat nichts gespürt: Im Tee war Medinal, das ist ganz schmerzlos. Man schläft einfach ein und wacht nicht wieder auf. Das Gesicht haben wir erst hinterher verstümmelt – es war grässlich, aber wir hielten es für notwendig. Mrs Chapman musste endgültig vom Schauplatz verschwinden. Ich hatte ‹meiner Cousine Helen› ein Häuschen auf meinem Besitz in Exsham zum Wohnen überlassen. Wir hatten die Absicht, nach einer gewissen Zeit nun doch offiziell zu heiraten. Aber erst mussten wir Amberiotis aus dem Weg räumen. Es ging glänzend. Er hat überhaupt nicht gemerkt, dass ich kein richtiger Zahnarzt war. Die Spritze habe ich tadellos gehandhabt. Den Bohrer habe ich allerdings nicht riskiert. Aber nach der Injektion konnte er natürlich auch nicht mehr genau fühlen, was ich mit seinen Zähnen anstellte.»
Poirot fragte: «Wie war das mit den Pistolen?»
«Die gehörten ursprünglich einem Sekretär von mir, den ich einmal in Amerika beschäftigt habe. Sie waren irgendwo im Ausland gekauft. Er hat sie bei mir vergessen, als er fortging.» Eine Pause entstand. Dann fragte Blunt: «Möchten Sie sonst noch etwas wissen?»
«Und Morley?», sagte Poirot leise.
«Es hat mir Leid getan um Morley», erwiderte Blunt.
Hercule Poirot sagte: «Aha – ich verstehe…»
Nach langem Schweigen fragte Blunt: «Nun, M. Poirot, was wird jetzt geschehen?»
Poirot antwortete: «Helen Montressor ist bereits verhaftet.»
«Und nun bin ich dran?»
«Ja, das habe ich gemeint.»
Blunt fragte leise: «Sie
Weitere Kostenlose Bücher