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Das Geheimnis Der Schönen Toten

Das Geheimnis Der Schönen Toten

Titel: Das Geheimnis Der Schönen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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bringen. Ich hatte die Erlaubnis meines Abts und war zum festgesetzten Tag pünktlich wieder da. Aber. . . es ist schwer, sich an zwei Orten zu Hause zu fühlen, wenn man sich von dem ersten Zuhause noch nicht ganz gelöst und das zweite noch nicht ganz akzeptiert hat und sich dann gezwungen sieht, noch einmal hin- und herzureisen. Und in jüngster Zeit hat es in Ramsey auch Streitigkeiten gegeben, die uns auseinandergerissen haben. Für einige Zeit gab Abt Walter sein Amt an Bruder Daniel ab, der keineswegs fähig war, in seine Fußstapfen zu treten. Diese Frage ist inzwischen gelöst, doch zunächst gab es Zerrissenheit und Kummer. Jetzt nähert sich das Jahr meines Noviziats seinem Ende, und ich weiß weder, was ich tun soll, noch was ich tun möchte. Ich habe meinen Abt um mehr Zeit gebeten, bevor ich meine endgültigen Gelübde ablege. Als diese Katastrophe über uns hereinbrach, hielt er es für das Beste, mich herzuschicken, zu meinen Ordensbrüdern hier in Shrewsbury. Und hier unterwerfe ich mich jetzt Eurer Führung und Anleitung, bis ich meinen künftigen Weg klar vor mir sehe.«
    »Du bist dir deiner Berufung nicht mehr sicher«, sagte der Abt.
    »Nein, Vater, das bin ich nicht mehr. Ich fühle mich hin- und hergerissen. Zwei Winde stürmen aus verschiedenen Richtungen auf mich ein.«
    »Abt Walter hat es dir nicht einfacher gemacht«, bemerkte Radulfus und runzelte die Stirn. »Er hat dich hierher geschickt, wo du beiden noch stärker ausgesetzt bist.«
    »Vater, ich glaube, er hat es nur gut mit mir gemeint.
    Mein Zuhause ist hier, aber er hat nicht gesagt: Geh nach Hause. Er hat mich dorthin geschickt, wo ich vielleicht noch in der von mir erwählten Disziplin leben und zugleich den starken Sog von Heimatort und Familie spüren kann.
    Warum sollte es mir einfach gemacht werden«, sagte Sulien, der plötzlich seine blauen Augen aufriß und den Abt unfehlbar ritterlich und doch tief verstört ansah, »wenn am Ende die richtige Antwort stehen muß? Aber ich kann zu keiner Entscheidung kommen, weil es mich schon beschämt, in die Vergangenheit zu blicken.«
    »Dazu besteht kein Anlaß«, sagte Radulfus. »Du bist nicht der erste und wirst auch nicht der letzte sein, der zurückblickt, und auch nicht der erste oder letzte, der wieder umkehrt, falls du dich dafür entscheiden solltest. Jeder Mann hat nur ein Leben in sich und nur eine Natur, mit der er Gott dienen kann, und wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, das zu tun, ein zölibatäres Leben im Kloster, würden Zeugung und Geburt aufhören, die Welt würde entvölkert, und weder innerhalb noch außerhalb der Kirche würde Gott mehr angebetet werden. Es geziemt sich für einen Mann, in sich hineinzuhorchen und sich für den bestmöglichen Gebrauch der Gaben zu entscheiden, die er von seinem Schöpfer erhalten hat. Du tust nichts Unrechtes, wenn du jetzt in Frage stellst, was du einmal für dich als richtig angesehen hast, und zu dem Schluß kommst, daß es falsch zu sein scheint. Schlag dir jeden Gedanken aus dem Kopf, du könntest gebunden sein. Wir wollen nicht, daß du dich gebunden fühlst. Wer nicht frei ist, kann auch nicht aus freier Überzeugung geben.«
    Der junge Mann blickte ihn einige Augenblicke schweigend und ernst an. Seine Augen waren so durchsichtig und klar wie Glockenblumen, und mit seinen fest aufeinandergepreßten Lippen schien er eher seinen Mentor als sich selbst zu prüfen. Dann sagte er mit Nachdruck: »Vater, ich bin mir nicht einmal meiner Handlungen sicher, glaube aber, daß ich nicht aus den richtigen Gründen um Aufnahme in den Orden nachgesucht habe. Ich denke, das ist auch der Grund, weshalb der Gedanke, ihn jetzt zu verlassen, mich so beschämt.«
    »Mein Sohn«, sagte Radulfus, »das allein wäre für den Orden schon Grund genug, auf dich zu verzichten. Viele vor dir sind aus den falschen Gründen bei uns eingetreten und später aus den richtigen geblieben, doch es wäre eine Sünde, gegen die eigene Überzeugung und gegen die Wahrheit, nur aus Stolz und Hartnäckigkeit zu bleiben.«
    Und er lächelte, als er sah, wie sich die geraden braunen Augenbrauen des Jungen in verzweifelter Verwunderung zusammengezogen. »Verwirre ich dich noch mehr? Ich frage nicht, warum du eingetreten bist, obwohl ich glaube, der Grund dürfte eher der Wunsch gewesen sein, der Welt da draußen zu entfliehen, als die Welt hier im Kloster zu umfassen. Du bist jung und hast von dieser äußeren Welt noch sehr wenig gesehen, und es kann sein, daß

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