Das Geheimnis Der Schönen Toten
gut.«
Aha, dachte Cadfael, dem jetzt ein Licht aufging, und musterte den Jungen erneut von Kopf bis Fuß, dies ist also der jüngere Bruder, der sich vor gut einem Jahr entschloß, in den Benediktinerorden einzutreten und Ende September Novize in Ramsey wurde, etwa um die Zeit, als sein Vater den Töpferacker der Abtei von Haughmond übereignete.
Ich frage mich allerdings, warum er die Benediktiner gewählt hat statt den von seiner Familie bevorzugten Augustinerorden? Er hätte sich genausogut dem Töpferacker anschließen und unter den Klosterbrüdern von Haughmond still und friedlich leben können. Trotzdem, überlegte Cadfael, als er die Tonsur des jungen Mannes betrachtete mit ihrem neuen Flaum dunklen, goldenen Haars in dem Ring aus feuchten braunen Locken, warum sollte ich ihn wegen einer Vorliebe tadeln, die meiner eigenen Wahl schmeichelt? Ihm werden die Bescheidenheit, die Vernunft und menschliche Liebenswürdigkeit des Heiligen Benedikt ebenso gefallen haben wie mir. Es war ein wenig beunruhigend, daß diese angenehme Überlegung nur dazu führte, daß sich andere und gleichermaßen unausweichliche Fragen erhoben. Warum so weit weg nach Ramsey? Warum nicht hier in Shrewsbury?
»Hugh Beringar wird ohne Verzögerung alles erfahren«, sagte der Abt begütigend, »was du mir erzählen kannst. Du sagst, de Mandeville habe Ramsey eingenommen. Wann ist das passiert? Und wie?«
Sulien befeuchtete sich die Lippen und setzte einigermaßen ruhig und zusammenhängend das Bild zusammen, das er sieben Tage lang mit sich herumgetragen hatte.
»Es war vor genau neun Tagen. Wir wußten wie alle in der Gegend, daß der Earl auf Ländereien zurückgekehrt war, die einst ihm gehörten, und Männer um sich versammelt hatte, die in der Vergangenheit zu seinen Leuten zählten, dazu all die, die sich in der Gegend herumtrieben oder mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren und sich jetzt bereit zeigten, ihm in seinem Exil zu dienen. Aber wir wußten nicht, wo sich seine Streitkräfte befanden, und ahnten auch nichts davon, daß er etwas gegen uns plante.
Ihr wißt, daß Ramsey fast eine Insel ist, die man trockenen Fußes nur über einen einzigen Damm erreichen kann? Aus diesem Grund wurde es schließlich einmal als Ort des Rückzugs vor der Welt ausgewählt.«
»Und das dürfte auch der Grund sein, weshalb der Earl es begehrte«, sagte Radulfus grimmig. »Ja, das ist uns bekannt. «
»Doch welchen Grund hätten wir je gehabt, diesen Damm zu bewachen? Wie sollten wir, da wir Klosterbrüder sind, ihn unter Waffen bewachen, selbst wenn wir es gewußt hätten? Sie kamen zu Tausenden«, sagte Sulien, der offensichtlich genau überlegt hatte, was er mit dieser Zahl sagte, denn es war ihm ernst damit. »Sie überquerten den Damm und nahmen das Kloster in Besitz. Sie trieben uns auf den Hof und dann aus dem Tor und nahmen alles, was wir hatten. Wir durften nur unser Habit behalten. Einen Teil unseres Klosters setzten sie in Brand. Einige von uns, die sich dem entgegenstellten, wenn auch gewaltlos, wurden von ihnen geschlagen oder getötet. Auf einige andere, die in der Nähe umherstreiften, jedoch außerhalb der Insel, wurde mit Pfeilen geschossen. Sie haben unser Haus in eine Höhle für Banditen und Folterknechte verwandelt und es mit Waffen und bewaffneten Männern gefüllt, und von dieser Festung aus ziehen sie los, um zu rauben und zu plündern und zu morden. Im Umkreis von Meilen besitzt niemand mehr die Mittel, seine Felder zu bestellen oder etwas von Wert in seinem Haus zu behalten. So ist es geschehen, Vater, und ich habe es mitangesehen.«
»Und euer Abt?« fragte Radulfus.
»Abt Walter ist wirklich ein mutiger Mann, Vater. Am nächsten Tag begab er sich allein in ihr Lager und legte mit einem Holzscheit aus ihrem Feuer einen Brand, der einige ihrer Zelte vernichtete. Er hat gegen sie alle die Exkommunikation ausgesprochen, und es ist ein Wunder, daß sie ihn nicht töteten, sondern nur verhöhnten und unbehelligt gehen ließen. De Mandeville hat all diejenigen Herrenhäuser der Abtei beschlagnahmt, die nahe zur Hand liegen, und sie seinen Männern als Garnisonen zugewiesen, doch einige, die in größerer Entfernung liegen, hat er unbehelligt gelassen, und dort hat Abt Walter mit den meisten der Brüder Zuflucht gesucht. Ich wußte ihn in Sicherheit, als ich ihn verließ und bis Peterborough durchkam. Diese Stadt ist noch nicht bedroht.«
»Wie kam es, daß er dich nicht auch mitnahm?« wollte der Abt wissen. »Ich
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