Das Geheimnis Der Schönen Toten
Zeiten, in denen die Förster des Königs an vielen Orten weder Zeit noch Neigung hatten, die Forstgesetze mit aller Härte durchzusetzen.
Was seine jetzige Lage anging, ließ sich nicht ausmachen, welche Ängste und welche Spekulationen ihm durch den Kopf schössen, wieviel er vermutete oder welches fieberhaft zusammengezimmerte Lügengebäude er gegen das aufbaute, was seiner Meinung nach gegen ihn vorgebracht werden konnte. Er wartete ohne Murren und so steif und gespannt, daß selbst sein Haar sich aufzurichten und zu erzittern schien. Hugh schloß die Zellentür und musterte ihn ohne jede Eile von oben bis unten.
»Nun, Britric - das ist doch dein Name? Du hast in diesen letzten beiden Jahren die Messe besucht, nicht wahr?«
»Schon länger«, erwiderte Britric. Er sprach mit leiser und wachsamer Stimme, nicht bereit, mehr Worte zu äußern als unbedingt nötig. »Sechs Jahre insgesamt.« Ein kleiner Seitenblick aus besorgten, flackernden Augen musterte Cadfaels Gestalt in ihrem Habit, die ruhig in der Zelle stand. Vielleicht erinnerte er sich an die Gebühren, die er nicht gezahlt hatte, und fragte sich, ob der Abt es inzwischen leid war, bei den säumigen kleinen Übeltätern beide Augen zuzudrücken.
»Es ist das letzte Jahr, das uns zu schaffen macht. Das ist nicht so lange her, daß dein Gedächtnis versagen könnte.
Am Vorabend des Tages des Heiligen Petrus und an den drei Tagen danach hast du deine Waren zum Verkauf angeboten. Wo hast du die Nächte verbracht?«
Er tappte jetzt völlig im dunkeln, und das machte ihn noch vorsichtiger, aber er antwortete ohne ungebührliches Zögern: »Ich wußte von einem Häuschen, das leer stand.
Auf dem Markt wurde davon gesprochen, daß der Töpfer sich in den Kopf gesetzt habe, Mönch zu werden, und seine Frau war weggegangen und hatte das Haus leer zurückgelassen. Drüben auf der anderen Flußseite von Longner. Ich dachte mir, niemandem damit zu schaden, wenn ich dort unterschlüpfe. Ist das der Grund, weshalb man mich hergebracht hat? Aber warum jetzt, nach so langer Zeit? Ich habe nie etwas gestohlen. Ich habe alles so hinterlassen, wie ich es vorgefunden hatte. Ich wollte nur ein Dach über dem Kopf und ein Plätzchen, an dem ich mich behaglich ausstrecken konnte.«
»Allein?« fragte Hugh.
Diesmal zögerte Britric keine Sekunde. Er hatte sich bereits ausgerechnet, daß diese Frage schon von anderen beantwortet sein mußte, bevor man ihn ergriffen hatte, damit er selbst antworten konnte. »Ich hatte eine Frau bei mir. Ihr Name war Gunnild. Sie bereiste die Messen und Märkte und trat dort auf, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ich habe sie in Coventry kennengelernt, und wir sind eine Zeitlang zusammengeblieben.«
»Und als die Messe hier zu Ende war? Die im letzten Jahr?
Seid ihr dann gemeinsam weggegangen und zusammengeblieben?«
Britrics schmal gewordener Blick flackerte von einem Gesicht zum nächsten, fand aber keinen hilfreichen Hinweis. Langsam erwiderte er: »Nein. Wir gingen getrennte Wege. Ich ging nach Westen, denn mein bestes Geschäft ist in den Dörfern an der Grenze.«
»Und wann und wo hast du dich von ihr getrennt?«
»Ich ließ sie in dem Häuschen zurück, in dem wir geschlafen hatten. Früh am vierten Tag des August. Es war kaum hell geworden, als ich mich auf den Weg machte. Sie wollte von dort aus nach Osten, so daß sie den Fluß nicht zu überqueren brauchte.«
»Ich kann in der Stadt oder im Foregate niemand finden«, sagte Hugh mit Betonung, »der sie je wiedergesehen hätte.«
»Das konnten sie auch nicht«, entgegnete Britric. »Wie ich schon sagte, ist sie nach Osten gegangen.«
»Und du hast sie seitdem nicht mehr wiedergesehen?
Hast dich nie um schöner alter Zeiten willen bemüht, sie wiederzufinden ?«
»Dazu habe ich nie Gelegenheit gehabt.« Er begann zu schwitzen, was immer das bedeuten mochte. »Wir sind uns zufällig begegnet, mehr war es nicht. Sie ist ihrer Wege gegangen und ich meiner.«
»Und es ist zwischen euch nie zum Streit gekommen? Du hast sie nicht mal geschlagen? Keine lauten Auseinandersetzungen? Immer sanft und liebenswürdig miteinander umgegangen, war das so, Britric? Es gibt eine Aussage über dich, die sich anders anhört«, sagte Hugh. »Da gab es doch noch einen Burschen, oder etwa nicht, der gehofft hatte, sich in diesem Häuschen gemütlich niederzulassen? Einen alten Mann, den du weggejagt hast. Er ist aber nicht weit gegangen. Er blieb in Hörweite von euch beiden, als ihr euch
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