Das Geheimnis Der Schönen Toten
kleine Vorzimmer im Torhaus, zögerte jedoch einen Augenblick, als er sie aufforderte, sich zu setzen, als müßte sie erst erklären, in welcher Angelegenheit sie komme, bevor sie es sich bequem machen konnte.
»Herr, ich denke, Ihr seid derjenige, der mich braucht, falls es stimmt, was ich gehört habe.« Ihre Stimme hatte den Tonfall einer Frau vom Land und hörte sich leicht rauh und heiser an, als wäre sie einmal durch übermäßigen Gebrauch oder unter Belastung überanstrengt worden.
Und sie war nicht so jung, wie er sie zunächst eingeschätzt hatte, vielleicht um die Fünfunddreißig, sah aber gut aus, hielt sich aufrecht und bewegte sich mit anmutiger Grazie.
Sie trug ein dunkles Gewand, das matronenhaft und nüchtern wirkte, und ihr Haar war zurückgekämmt und unter einer weißen Guimpe verborgen. Das Musterbild einer anständigen Bürgersfrau oder der Dienerin eines Edelmanns. Hugh wußte nicht im entferntesten, warum und auf welche Weise sie mit den Dingen zu tun haben sollte, mit denen er gerade beschäftigt war, war jedoch gerne bereit, sich aufklären zu lassen.
»Und was habt Ihr gehört?« fragte er.
»Auf dem Markt sagt man, Ihr hättet einen Mann namens Britric in Gewahrsam genommen, einen Hausierer, weil er eine Frau getötet haben soll, die ihn im letzten Jahr eine Zeitlang begleitet hat. Trifft das zu?«
»Durchaus«, erwiderte Hugh. »Ihr habt etwas in dieser Angelegenheit zu sagen?«
»Das habe ich, Herr!« Sie hielt die Augen unter den schweren langen Augenlidern halb verschlossen und blickte ihm nur gelegentlich und kurz direkt ins Gesicht.
»Ich bringe Britric keine sonderlich herzlichen Gefühle entgegen, denn dazu hätte ich keinen Grund, aber ich will ihm auch nichts Böses. Er war mir für einige Zeit ein guter Gefährte, und selbst wenn wir uns am Ende zerstritten haben, möchte ich doch nicht, daß er wegen eines nie begangenen Mordes gehängt wird. Folglich bin ich persönlich hergekommen, um zu beweisen, daß ich gesund und munter bin. Mein Name ist Gunnild.«
»Und bei Gott, so war's, wie sich herausstellte!« sagte Hugh, der die ganze unwahrscheinliche Geschichte ein paar Stunden später in der Mußestunde des klösterlichen Nachmittags in Cadfaels Werkstatt zum besten gab. »Keine Frage, es ist Gunnild. Du hättest das Gesicht des Hausierers sehen sollen, als ich sie zu ihm in die Zelle brachte und er einen langen Blick auf ihre anständige, achtbare Gestalt warf, sich dann ihr Gesicht aus der Nähe ansah, um dann mit offenem Mund dazustehen, da er es kaum zu glauben schien. Aber: >Gunnild!< schreit er da plötzlich los, als er wieder zu Atem gekommen ist. Oh, es ist ein und dieselbe Frau, da gibt es keinen Zweifel, aber sie muß sich so verändert haben, daß er einige Zeit brauchte, um seinen Augen zu trauen. Übrigens ist damals mehr vorgefallen, als er uns über seine Flucht am frühen Morgen erzählt hat. Kein Wunder, daß er auf Zehenspitzen aus dem Haus schlich und sie schlafen ließ. Er hat nämlich nicht nur sein Geld mitgenommen, sondern auch jeden Penny von dem, was sie verdient hatte. Ich sagte dir ja schon, daß er etwas auf dem Gewissen hat und daß es etwas mit der Frau zu tun hat. Und so war es auch, er hatte ihr alles geraubt, was irgendwie von Wert war, und es muß sehr schwer für sie gewesen sein, sich im letzten Jahr über den Herbst in den Winter zu retten.«
»Das hört sich an«, bemerkte Cadfael, der aufmerksam gelauscht hatte, aber keinerlei Überraschung zeigte, »als könnte ihre heutige Begegnung wieder stürmisch werden.«
»Nun, er freute sich so über ihr Kommen, war eitel Dankbarkeit und versprach, sich zu bessern, und überschlug sich fast, um ihr zu schmeicheln. Und sie weigert sich, den Diebstahl vor Gericht zu bringen. Ich glaube sogar, daß er schon daran dachte, sie wieder zu seinem Wanderleben zu überreden, doch davon will sie nichts wissen. Sie nicht! Sie ruft ihren Reitknecht, der hebt sie auf das Sitzkissen, und fort sind sie.«
»Und Britric?« Cadfael streckte den Arm aus, um nachdenklich den Topf umzurühren, dessen Inhalt auf dem Eisenrost, der eine Seite seiner Kohlepfanne bedeckte, sacht vor sich hin köchelte. Der scharfe, warme, dampfende Geruch von Hustenpastillen stach ihnen in die Nase. Unter den alten und gebrechlichen Brüdern in Edmunds Krankenstation gab es schon jetzt einige Fälle von Husten und Erkältung.
»Man hat ihn inzwischen freigelassen, und er machte sich sehr demütig davon, aber wie lange das
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